Interview Thomas Sternberg: „Das Sicherheitskonzept für den Katholikentag ist ausgefeilt“

Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, über die Folgen der Amokfahrt, den Papst und den Streit um die Rolle der Bischofskonferenz.

„Der Standard des gemeinsamen Gottesdienstes in Hildesheim ist nicht mehr hintergehbar“: ZdK-Präsident Thomas Sternberg (r.) äußert sich im Gespräch mit Redakteur Ekkehard Rüger auch zur Ökumene.

„Der Standard des gemeinsamen Gottesdienstes in Hildesheim ist nicht mehr hintergehbar“: ZdK-Präsident Thomas Sternberg (r.) äußert sich im Gespräch mit Redakteur Ekkehard Rüger auch zur Ökumene.

Foto: Lepke, Sergej (SL)

Düsseldorf. Wenn am 9. Mai der 101. Katholikentag in Münster beginnt, liegt die Amokfahrt im Herzen der Stadt gerade einen Monat zurück. Münster ist auch die Heimatstadt von Thomas Sternberg, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Seit 1852 war der Katholikentag bisher dreimal in der Stadt des Westfälischen Friedens zu Gast, zuletzt 1930. Unter dem Leitwort „Suche Frieden“ gibt es beim vierten Mal innerhalb der mehr als 1000 Veranstaltungen erstmals ein Kernprogramm von 32 großen Podien.

Herr Sternberg, können die Besucher mit einem sicheren Gefühl zum Katholikentag nach Münster fahren?

Thomas Sternberg: Ja. Wir haben ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept. Der Münsteraner Polizeipräsident Hans-Joachim Kuhlisch war deshalb schon vor zwei Jahren beim Katholikentag in Leipzig dabei. Das Konzept schließt auch die Absperrung der großen Plätze ein. Was man tun kann, wird getan. Natürlich ist man vor Amokfahrten und Amokläufen nie und nirgends auf der Welt sicher. Aber wir werden den Katholikentag nicht mit einer besonderen Sorge veranstalten, sondern er wird ein fröhliches Fest werden, bei dem man die vielen Sicherheitsmaßnahmen hoffentlich nicht so stark wahrnimmt.

Hat es nach der Amokfahrt noch einmal Veränderungen gegeben?

Sternberg: Wir haben uns das Sicherheitskonzept noch einmal angesehen, aber alle waren sich völlig einig, dass es so ausgefeilt ist, dass kein Anlass besteht, es zu überarbeiten.

Ist eine Form des Gedenkens geplant?

Sternberg: Darüber haben wir noch nicht abschließend gesprochen. Am Mittwoch gab es einen Gottesdienst auf dem Platz des Unglücks, der auch dazu diente, dort die Außengastronomie wieder zu eröffnen. Wir überlegen, die Amokfahrt noch einmal in einer religiösen Feier aufzugreifen, aber das wird sicher kein beherrschendes Thema. Möglicherweise gibt es auch noch eine zusätzliche Veranstaltung zu unserem Sicherheitsbedürfnis und der Frage, wie wir damit umgehen, im Grunde täglich vom Tod umfangen zu sein.

Das Leitwort „Suche Frieden“ hat auch durch die Entwicklung in Syrien dramatische Aktualität gewonnen. Wie wird es in der Stadt des Westfälischen Friedens aufgegriffen?

Sternberg: Die ganze Spannbreite dieses Leitworts zeigt sich von den brutalen kriegerischen Vorgängen in Syrien über die Entwicklung einer lokal begrenzbaren Atomwaffentechnik bis zur Frage, wie sehr ein Mensch im persönlichen Unfrieden gelebt haben muss, um daraus nur noch in einer so grässlichen Tat ausbrechen zu können. Aber das Leitwort hat seine Tücken: Frieden ist ein allzu gutes Wort. Frieden will jeder. Das Wort muss angespitzt werden. Was macht Frieden wirklich aus? Diese Frage wird in ganz unterschiedlichen Veranstaltungen zum Thema gemacht, vom politischen Streitgespräch bis zum Gebet.

Ist eine Positionierung geplant?

Sternberg: Wir haben im Präsidium gerade über die Münsteraner Erklärung beraten, die wir vor Beginn des Katholikentages abgeben werden. Der Text zu den verschiedenen Aspekten des Friedens wird zuvor in der ZdK-Vollversammlung diskutiert und zur Abstimmung gestellt.

Der Katholikentag nimmt für sich in Anspruch, kontroverse Themen zu behandeln. Dazu gehört auch die AfD. Warum war sie in Leipzig nicht erwünscht, in Münster jetzt aber doch?

Sternberg: Die AfD war weder in Leipzig nicht erwünscht, noch ist sie jetzt erwünscht. Es gab in Leipzig eine Veranstaltung zu Flüchtlingen, zu der Frauke Petry nicht eingeladen wurde, obwohl sie vorgeschlagen war. Ansonsten war die Partei nirgendwo vorgeschlagen gewesen. Inzwischen hat sich die AfD verstärkt und radikalisiert. Das Thema ist also nicht leichter geworden. In Münster geht es jetzt um die Haltung der Bundestagsfraktionen zu Kirche und Religion in Staat und Gesellschaft. Mit welchen Argumenten lädt man da eine große Fraktion aus? Aber die AfD bekommt kein besonderes Podium. Wir werden uns in aller Schärfe abgrenzen von ausgrenzenden und nationalistischen Parolen.

Wie bewerten Sie die AfD aus christlicher Sicht?

Sternberg: Die Behauptung der AfD, sie habe irgendetwas mit dem christlichen Abendland zu tun, war immer vorgeschoben. Eine Untersuchung des Instituts für christliche Soziallehre in Münster belegt sehr deutlich, dass die behaupteten christlichen Elemente bei der AfD nicht hinterlegt sind.

Hat sich das verschärft?

Sternberg: Massiv. In Baden-Württemberg sitzt mit Wolfgang Gedeon nach wie vor ein Antisemit im Parlament. Im Bundestag sitzt Jens Maier trotz seines ungeheuerlichen Ausdrucks für Noah Becker. Beatrix von Storch nutzt die Amokfahrt von Münster, um sofort mit einer widerlichen Polemik gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel zu reagieren. Das sind alles Radikalisierungstendenzen, die mir deutlich machen, dass diese Partei Schritt für Schritt weiter ins rechtsradikale Lager abrutscht.

Stimmt die Wahrnehmung, dass sich weltweit die kircheninternen Kontroversen über den Kurs der katholischen Kirche unter Papst Franziskus zuspitzen?

Sternberg: Ich glaube, das ist eine Dramatisierung der Antihaltungen gegen diesen wunderbaren Papst. Franziskus gibt dieser Kirche einen Schwung und eine Bewegung, die nur mit den Konzilsjahren in den 60ern vergleichbar sind. Wir müssen das dringend aufgreifen, denn wir argumentieren nicht mehr aus einer Mehrheitsposition heraus. Wenn wir nicht zusammenstehen und repräsentieren, dass es schön ist, katholisch zu sein, wer soll uns dann noch anziehend finden?

Erstaunlich ist die Leichtigkeit, die Franziskus nach wie vor ausstrahlt.

Sternberg: Wir machen uns zu wenig deutlich, dass dieser Papst von anderen Ende der Welt stammt. Und die Kirche in Lateinamerika tickt anders. Der Blick von Argentinien auf die europäische Kirche ist ein anderer als von Europa aus. Der Papst sagt im Grunde überhaupt nichts umstürzend Neues. Aber er sagt es in einer neuen Weise und aus einer neuen Perspektive. Franziskus steht in seinen Aussagen zu Ehe, Familie und Eucharistie in der Traditionsreihe seiner Vorgängerpäpste. Aber das kann man auch bewusst nicht verstehen wollen. Wie der Papst schon sagte: Die Umsetzung eines Konzils dauert hundert Jahre, aber es sind ja erst 50 vorbei.

Geht es im jüngsten Konflikt in Deutschland nur um die Kommunion für konfessionsverschiedene Ehen oder darum, welche Rechte eine Bischofskonferenz hat?

Sternberg: Ich kann mir nur vorstellen, dass es um die Bischofskonferenz geht, denn wir reden über eine Frage, die pastoral vor Ort längst gelöst ist. Die Priester sprechen sogar Ehepartner der anderen Konfession an, wenn sie merken, dass diese nicht zur Kommunion kommen. Am Ende werden die Bischöfe, die sich an Rom gewandt haben, selbst die Verlierer sein.

Ihr Verständnis für den Kölner Kardinal Woelki ist also beschränkt?

Sternberg: Ich will das gar nicht personalisieren. Wir haben jetzt eine Handreichung, die für die katholische Kirche in Deutschland gilt.

Was erwarten Sie von dem jetzt angesetzten Gespräch im Vatikan zu dem Thema?

Sternberg: Das Gespräch schafft hoffentlich nicht nur inhaltlich Klarheit, sondern auch den Willen zu einem besseren Miteinander in der Konferenz. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte die Bischofskonferenzen sehr geschätzt und der heutige Papst hat das immer wieder unterstrichen. Aber kirchenrechtlich sind die Bischofskonferenzen 1983 auf das Niveau eines unverbindlichen Beratungsgremiums zusammengestrichen worden. Jetzt geht es letztlich um die Frage, welche Rolle der Bischofskonferenz als Ebene zwischen der Weltkirche und der Ortskirche im Bistum zugebilligt wird.

Stellen Sie frischen Wind in der Ökumene fest?

Sternberg: Es war für mich hoch überraschend, in welch intensiver ökumenischer Ausrichtung unsere evangelischen Glaubensgeschwister das Reformationsjahr begangen haben. Das rechne ich der Evangelischen Kirche in Deutschland ganz hoch an. Der Standard des gemeinsamen Gottesdienstes in Hildesheim ist nicht mehr hintergehbar. Ich bin absolut sicher, dass uns die Verhältnisse vor Ort dazu bringen werden, dass wir künftig viel mehr gemeinsame Gemeindezentren und Simultankirchen haben und das in ein paar Jahren auch für das Normalste der Welt halten.

Ihre Erwartung an die Tage in Münster?

Sternberg: Leipzig hat uns brutal deutlich gemacht, wie man als Katholiken in einer extremen Minderheitensituation auftritt. Jetzt glauben alle, Münster sei schwarz und katholisch. Alles falsch. Der Anteil der Katholiken in Münster ist vor zwei Jahren unter 50 Prozent gesunken. Auch diese Stadt ist längst viel bunter. Die Herausforderung ist trotz der volkskirchlichen Restbestände dort, wie wir damit umgehen und sagen können: Wir haben einerseits neue Lebensverhältnisse im Blick, werfen aber andererseits tradierte Bestände des Katholischen nicht über Bord. Die entscheidende Frage von Münster ist, wie man das überzeugend hinbekommt.

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