Das Dorfoberhaupt sagt, welcher Kandidat gewählt wird

Auf dem Land schenken die Leute Amtsinhaber Karsai kein Vertrauen. Er habe in acht Jahren nichts geleistet.

Berlin/Mazar-I-Sharif. Wer in diesen Tagen durch die Provinzhauptstadt Mazar-I-Sharif fährt, stellt schnell fest, was afghanischer Wahlkampf vor allem ist: bunt und laut. Kein Schaufenster, kein Laternenmast, keine Häuserwand, die nicht voll geklebt wäre mit Wahlplakaten, auf denen sich die Kandidaten für den Wahlgang am 20.August anpreisen.

Die mit Abstand größten Werbebanner hier oben im Norden, in der Provinz Balkh, sind einem Duo vorbehalten. Nr.1: Dr. Abdullah Abdullah, der wohl chancenreichste Konkurrent von Präsident Hamid Karsai. Der 48-jährige Ex-Arzt war Weggefährte des Nationalhelden Ahmed Schah Massud, charismatischer Führer der ehemaligen Nordallianz. Der "Löwe von Pandschir" starb kurz vor den Anschlägen vom 11.September 2001; ermordet durch El-Kaida-Killer.

Der zweite Mann auf den Plakaten, denen man im Verantwortungsgebiet der Bundeswehr nicht entrinnen kann, ist Mohammed Atta Noor, Gouverneur und wichtigster lokaler Gewährsmann des Kandidaten Abdullah. Die Botschaft ist klar: Wählt Abdullah, damit Noor die Arbeit für die Menschen von Mazar fortsetzen kann. Welche gute Arbeit?

Weil die Bundeswehr sich in diesen Vorwahltagen aus "Neutralitätsgründen" nicht in die Stadt traut, trauen die drei aus Deutschland angereisten Journalisten Fardin. Der 28-jährige Mechaniker hat umgeschult auf Fremdenführer, also Medien-Betreuer und -fahrer.

Als Fardin uns am zweiten Kontrollpunkt des Hochsicherheitstraktes Camp Marmal abholt, wo die Bundeswehr mit knapp 2200 Soldaten ihr Basislager hat, schwindet schon sehr bald jenes Unsicherheitsgefühl, das die Bundeswehr-Offiziellen nach Kräften zu wecken versuchten: "Offiziell müssen wir von einer Fahrt in die Stadt abraten. Und wenn was passiert - auf eigene Gefahr!"

Wie ist das mit Gouverneur Noor und seinen Sympathiewerten, die in jüngsten Umfragen auch Kandidat Abdullah zugute kommen? "Dass hier um Mazar keine Taliban-Anschläge passieren, dass die Stadt wirklich sicher ist im Vergleich zum unruhigen Süden, das liegt an der guten Arbeit unseres Gouverneurs", sagt Fardin.

Mittels seiner Auslegung des Modells der "public privat partnership" habe es Gouverneur Atta geschafft, die städtische Infrastruktur zu modernisieren. Atta verpflichtete Bauunternehmer im Du-machst-das-jetzt!-Stil dazu, Straßen zu asphaltieren oder auf eigene Kosten die beliebten Kreisverkehre zu bauen. Ein Namensschild des Gönners am Kreisel ist später der Dank, sagt Fardin. Seine Hoffnung: Mit Dr. Abdullah, der nach Umfragen das Zeug dazu hat, den Amtsinhaber mindestens in eine Stichwahl zu treiben, "wird mehr Modernität in unser Land kommen".

Aber wie denken die einfachen Leute auf dem Land? Die Patrouille in den gepanzerten Dingos der Bundeswehr führt uns in ein Dorf namens Fayziabad. Christopher W., der Zugführer, ist nicht nur Oberfeld-, sondern auch Dorffeldwebel, einer jener Soldaten, die während ihres Einsatzes die Zuständigkeit für ein Dorf erhalten, dort nach dem Rechten sehen und gute Kontakte zur Bevölkerung herstellen sollen.

Für W. ist es das achte Aufeinandertreffen mit Zou Mohammad, dem Malik. Maliks sind gewählte Dorfoberhäupter, die alles regeln, was im Alltag anliegt. Mit Hilfe eines Dolmetschers arbeitet Feldwebel W. seine Checkliste ab, fragt nach Fort- und Rückschritten. Der Malik nickt, erzählt von immer noch fehlendem Holz, um endlich die Masten zu bauen, die für die Telefon- und Stromleitungen gebraucht werden.

Die Leute um Karsai, schimpft der Malik, haben in acht Jahren Regierungszeit nichts geleistet. Dr. Abdullah werde darum gewinnen. "Abdullah will unser verkarstetes Tal urbar machen." Ein Kanal soll vom weit entfernten Fluss Amur Darja gebaut werden. Der Malik wird seinem Dorf empfehlen, Abdullah zu wählen.

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