CSU-Endspiel — für Horst Seehofer

Im erbitterten Unions-Streit steht der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hinter Horst Seehofer und blockiert ihm jeden Rückzug. Das Endspiel einer ewigen Fehde zeichnet sich ab.

 Ewige Fehde: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (l.) und Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer.

Ewige Fehde: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (l.) und Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer.

Foto: Fotos:dpa

München/Berlin. Jahrelang erinnerte Markus Söder (51), nicht zuletzt aufgrund seines Hangs zu exzentrischen Karnevalsverkleidungen, an den Großwesir „Isnogud“ (is no good = taugt nichts) aus den gleichnamigen Comics von Asterix-Erfinder René Goscinny, der mit ständig fehlschlagenden Attentaten nur ein Ziel verfolgt: „Kalif werden anstelle des Kalifen!“ Welche Ziele Horst Seehofer verfolgt, war in den vergangenen Jahren selbst Mitstreitern nicht immer klar, bis auf eines: Markus Söder verhindern und ihm auf keinen Fall Bayern und die CSU überlassen. Daran ist Seehofer gescheitert, Söder hat Bayern schon. Der derzeitige Flüchtlingsstreit zwischen CSU und CDU ist (auch) das Endspiel zwischen dem CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.

Söder, dem (nicht nur) Seehofer einst attestierte, er sei von Ehrgeiz zerfressen, charakterschwach und in zu viele Schmutzeleien verwickelt, ist vor allem ein gewiefter Macht-Taktiker. Als Seehofer im Dezember 2017 nach monatelangem offenen Schlagabtausch seinen Rücktritt als bayerischer Ministerpräsident für März 2017 bekanntgab und die CSU Söder zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 kürte, fragten sich viele in der CSU, wie aus den beiden innig verfeindeten Streithähnen nun ein Duo werden solle. Denn Seehofer hielt am CSU-Vorsitz weiter fest und schuf sich in der großen Koalition ein Berliner Super-Ministerium. Dort sitzt er nun in der Falle: Liefert Seehofer nicht, was Söder für den bayerischen Landtagswahlkampf zu brauchen behauptet, ist klar, wen Söder am Abend des 14. Oktober nach dem Verlust der absoluten Mehrheit verantwortlich machen wird.

Für Beobachter der bayerischen Landespolitik zeichnet sich seit Februar ab, dass zwei Überlegungen Söder antreiben: 1.) Weil die Gesellschaft weiter nach rechts rückt, muss die CSU es auch tun. 2.) Ihr einziger Gegner bei der Landtagswahl ist die AfD. Also sei der Plan, den rechten Rand zur Not mit großem Gepolter einzufangen, das bisweilen mindestens so schrill wie die AfD klingt, und gleichzeitig die Mitte nicht zu verprellen. Heftiges verbales Gepoltere, um anschließend zu ganz vernünftiger pragmatischer Politik zurückzukehren, war von jeher ein Markenzeichen der CSU. Doch diesmal ist es anders als in den Konflikten um „Herdprämie“ und „Ausländermaut“. Im Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen geht es diesmal nicht um einen Sachkonflikt, der in einem Formel-Kompromiss aufzulösen wäre, sondern um eine Macht- und Stilfrage.

In der Eskalation dieses Streits, der im Spitzentreffen von CDU, CSU und SPD am Dienstag zum ersten Koalitionsausschuss seit der Regierungsbildung einen neuen Höhepunkt erleben dürfte, geht es um Macht- und Stil-Fragen. Dabei stand und steht Söder keineswegs einfach hinter Seehofer: Er treibt ihn in eine ausweglose Situation und zerstört systematisch denkbare Auswege. Söders nur wenig subtilere Art „Merkel muss weg“ zu rufen, indem er sie für keinen einzigen Wahlkampf-Termin in Bayern einplant und offenbar eine Abschlusskundgebung mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz plant, kann für Merkel alle möglichen Folgen haben — für Seehofer läutet sie das Karriere-Ende ein.

Setzt Seehofer die Forderung Söders nach einem nationalen Alleingang an der Grenze gegen die Richtlinien-Kompetenz der Kanzlerin um, wird er entlassen. Tut er es nicht, wird er zum Sündenbock der CSU. Falls der besonnenere Teil der CSU Söder nicht zwingt, sich zu mäßigen. Denn Söder macht sich mit seinen steilen Thesen vom „Ende des Multilateralismus“ daran, den Markenkern und das Credo der Partei zu beschädigen. Das lautet in den Worten von Franz Josef Strauß: „Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft.“

Nach dem früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU-Ehrenvorsitzender) und dem früheren bayerischen Kultusminister Hans Maier hat sich auch der frühere Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Alois Glück, mit harscher Kritik zu Wort gemeldet. In einem Brief an den Parteivorstand schreibt der frühere CSU-Vordenker laut eines Berichts der „Augsburger Allgemeinen“ vom Wochenende: „Aber was begründet die Erwartungen, dass die CSU mit diesem Konfliktkurs bei der Landtagswahl mehr Zustimmung bekommt wie gegenwärtig in den Umfragen? Es gibt auch viele Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Verluste in der bisherigen Wählerschaft größer sein werden als der Zugewinn.“

Tatsächlich profitiert in den Umfragen bisher ausschließlich die AfD vom Streit in der Union. Im „Münchner Merkur“ schrieb Theo Waigel: „Wer mit dem Gedanken spielt, eine bundesweite CSU könne 18 Prozent erreichen, während die CDU nur noch auf 22 Prozent kommt, ist blind für die Realität und töricht in der Strategie.“ Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für RTL unterstützen 71 Prozent der Deutschen Merkels angestrebte europäische Lösung, in Bayern sind es 68 Prozent. Dort sind nur 38 Prozent mit Söder zufrieden, aber 43 Prozent mit Merkel. Aktuell liegt die CSU bei nur 40 Prozent.

Wenn Söder und Seehofer miteinander fertig sind, könnte es zu Söders Überraschung statt seiner einen lachenden Dritten auf dem Sieger-Podest geben: Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef und analytisch-intellektueller Kopf der von ihm selbst ausgerufenen „konservativen Revolution“, werden engagierte Ambitionen auf die Seehofer-Nachfolge als CSU-Chef nachgesagt. Im Bundestag vertritt der 48-Jährige den einstigen Wahlkreis von Franz Josef Strauß.

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