Bundespräsidentenwahl: Der Tag danach - Generationswechsel im Bellevue

Welche neuen Akzente will der künftige Bundespräsident setzen? Wulff bleibt nicht viel Zeit zur Einarbeitung.

Berlin. Der erste Arbeitstag des neuen Bundespräsidenten begann gewissermaßen "inkognito". Ohne großen Bahnhof besuchte Christian Wulff mit Frau Bettina und Tochter Annalena am Donnerstag Schloss Bellevue. Er ließ sich sein Amtszimmer zeigen und unterhielt sich mit seinen engsten Mitarbeitern.

Danach wurde letzte Hand an die Terminplanung und die Antritts-Rede gelegt, die er am Freitag nach seiner Vereidigung vor den versammelten Parlamentariern von Bundestag und Bundesrat halten wird. Traditionell werden hier erste Akzente für die Amtszeit des neuen Staatsoberhaupts gesetzt.

Wer nicht reden wird, ist dagegen Horst Köhler. Er war Ende Mai - nur ein Jahr nach seiner Wiederwahl - nach Kritik an Äußerungen zum Afghanistan-Krieg, die er als respektlos und unwahr empfand, zurückgetreten. Das Angebot von Bundestagspräsident Norbert Lammert, wie seine Vorgänger nach Ende ihrer Amtszeit bei der Vereidigungszeremonie am Freitag das Wort zu ergreifen, hat Köhler ausgeschlagen.

Dagegen nahm er eine Einladung Lammerts zu einem Essen der Ex-Bundespräsidenten am Donnerstag mit Wulff an. Das völlig inoffizielle Gespräch sollte wohl auch dem "Neuen" den Einstieg ins Amt erleichtern. Denn viel Zeit, um ins Amt zu finden, bleibt dem 51-Jährigen jetzt nicht.

Der politisch dramatische Verlauf der Bundesversammlung mit einem gewaltigen Denkzettel für die Regierenden dürfte auch bei Wulff Spuren hinterlassen haben. So ging im Trubel des späten Wahltag-Abends etwas unter, dass der neue Bundespräsident die Hand zur Kooperation in Richtung aller politischer Kräfte - von der Linken bis zur Union - ausstreckte.

Wulffs Amtszeit kann innenpolitisch sehr turbulent werden, wie die Dramatik seiner Wahl zeigt. Sicher geglaubte Mehrheiten zerfließen. Das inzwischen etablierte Fünf-Parteien-System stellt stabile Koalitionen - siehe gerade in Nordrhein-Westfalen - immer häufiger infrage.

Vom Bundespräsidenten wird erwartet, dass er mit der Macht des Wortes auch Orientierung gibt. Die ist jetzt gefragter denn je. Schon nach seinem Sieg deutete er erste Ziele an: Er wolle versuchen, die Gräben zwischen Bürgern und Politik, Parteien und politischen Institutionen zu schließen.

Als jüngster Präsident der Republik steht Wulff für einen Generationswechsel. Auch hier sind die Erwartungen hoch. Die erste Auslandsreise von Wulff dürfte nach Brüssel gehen als Zeichen des deutschen Engagements für die Europäische Union.

Doch zunächst muss Wulff offiziell auch Schlossherr im Bellevue werden. Das wird Freitag nach der Vereidigung im Parlament mit militärischen Ehren geschehen. Danach wird gefeiert. Zu dem traditionellen Sommerfest des Bundespräsidenten im Garten des Schlosses werden am Abend bis zu 5000 Gäste erwartet. Die Einladungen dazu hatte noch Horst Köhler verschickt.

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