Briten halten Blair für einen Kriegsverbrecher

Der ehemalige Premier muss sich einer Befragung über den Einmarsch in denIrak stellen.

London. Fast jeden Tag können die Briten derzeit wieder etwas über den umstrittenen Einsatz ihrer Soldaten im Irak erfahren - doch der Untersuchungsausschuss zu dem Einmarsch in den Irak 2003 hat die Normalbürger bisher weniger interessiert. Jetzt aber stehen die Höhepunkte an: Der amtierende Premierminister Gordon Brown muss der Kommission nun doch noch vor der Wahl im Frühjahr Rede und Antwort stehen. Und am Freitag steht der Auftritt von Browns Vorgänger Tony Blair bevor, der den Einsatz veranlasst hatte. Schon seit Wochen wartet die Öffentlichkeit gespannt auf den als "Bushs Pudel" verspotteten Ex-Regierungschef.

Aber auch für Brown wird das Verhör vor der Parlamentswahl ungemütlich: Ein Premierminister als Zeuge für einen der umstrittensten Kriegseinsätze des Landes kommt beim Wähler schlecht an. Andererseits könnte der Auftritt, der Ende Februar oder im März stattfinden soll, für Brown auch positiv sein. Denn der Druck auf den Premier, der zu Kriegsbeginn Finanzminister war, war in den vergangenen Tagen enorm gewachsen. Brown wäre wohl erneut der Drückeberger, wenn er sich nicht zu seiner Rolle bei der sensiblen Kriegsentscheidung äußert.

Der Ärger der Briten konzentriert sich aber mehr auf Blair, der den Einsatz 2003 in Gefolgschaft von US-Präsident George W. Bush aber ohne UN-Mandat und ohne Unterstützung des Volkes durchgedrückt hatte. Eine Umfrage ergab zuletzt, dass viele Briten Blair für einen Kriegsverbrecher halten.

Die Mehrheit ist auch der Meinung, dass er sie über die Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen angelogen hat - ein Punkt, der bei der Befragung am Freitag eine besonders große Rolle spielen wird. Auch um die Beziehung Blair-Bush wird es gehen.

Seit Wochen bereiten sich die Medien deshalb auf das Ereignis vor. Und das Interesse ist so groß, dass Besuchertickets per Los vergeben wurden. Mehr als sechs Stunden soll sich Blair ausquetschen lassen. Zwar ist sicher, dass der Auftritt von "Showman" Blair ein Riesenspektakel wird. Doch an der Substanz der Befragung zweifeln viele Experten. So bemängelten Kritiker, dass die Zeugen nicht unter Eid aussagen müssen. In dem Ausschuss sitzen zudem keine Richter oder Juristen, die die Frage der Gesetzmäßigkeit des Krieges hinreichend beantworten könnten.

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