Betreuungsgeld: Die SPD setzt auf Attacke

Heftiges Rededuell um umstrittenes Gesetz der schwarz-gelben Regierung.

Berlin. Zu Beginn der Debatte interessiert sich Angela Merkel (CDU) für ein anderes Thema — für die Schuhe von Dorothee Bär. Die CSU-Abgeordnete ist im Bundestag die erste Rednerin der Koalition, die für das Betreuungsgeld glühend streiten muss. Sie trägt Absätze — so hoch, wie sie Merkel wohl noch nie unter den Füßen gehabt hat. Grund genug, um mit Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) zu feixen.

Doch dann ist auch die Kanzlerin gefordert. Denn die Aussprache zum Betreuungsgeld wird zu einem erstklassigen Schlagabtausch vor allem von zwei Parlamentariern. Es ist Dampf unter der Reichstagskuppel wie lange nicht. Die SPD schickt ihren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ans Pult — „der familienpolitische Sprecher“, wie aus der FDP-Fraktion gespottet wird. Bislang ist Steinbrück wahrlich nicht als Kenner dieser Materie aufgefallen. Aber anhand des Betreuungsgeldes lässt sich ablesen, wie der SPD-Mann gedenkt, im kommenden Jahr Wahlkampf zu führen — volle Kraft voraus, volle Kraft gegen Merkel.

Steinbrück zerpflückt das Vorhaben, dem die Koalition später mit Mehrheit zustimmt. Und weil das so ist, schließt der SPD-Mann zugleich die Reihen von Union und FDP. „Dieses Betreuungsgeld ist schwachsinnig“, ruft Steinbrück. Er zitiert ablehnende Sätze von FDP-Generalsekretär Patrick Döring und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Paradox, beide nicken auch noch, „ja, stimmt“, murmelt Döring. Damit bestätigt er ungewollt nur, was Steinbrück auch noch sagt: Unter einem „Höchstmaß an Disziplinierung und Selbstverleugnung vor allem in den Reihen der FDP“ werde das Vorhaben durchgedrückt. Das nur, weil es eine „Regionalpartei aus Bayern“ so wolle.

Direkt spricht Steinbrück dann die Kanzlerin an: Sie stütze den rückwärtsgewandten Plan nur „aus Pragmatismus, der keine Führungskraft zeigt“. Merkel ist da der Spaß längst vergangen. Mit einer SPD-geführten Regierung, so ihr Gegenspieler weiter, werde die Regelung eine „mit der kürzesten Halbwertzeit in der Geschichte der Bundesrepublik sein“. Da jauchzen die Genossen. Aber nur kurz.

Denn ausgerechnet die FDP, die das Betreuungsgeld am liebsten verhindert hätte, holt für die Koalition die Kohlen wieder aus dem Feuer. Der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Patrick Meinhardt, sonst unauffällig, kontert mit einer starken Rede, die Merkel immer wieder mit Zustimmung quittiert.

Es sei doch die „rote Betreuungstroika“ aus Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück gewesen, die in ihrer Regierungszeit 2008 ein Gesetz mit auf den Weg gebracht habe, dass 2013 die Einführung einer „monatlichen Barzahlung, zum Beispiel Betreuungsgeld“ vorgesehen habe. „Sie leiden an kollektivem Gedächtnisverlust“, schimpft Meinhardt. Das Verhalten der SPD sei daher an „Doppelzüngigkeit und Heuchelei“ nicht zu überbieten. „Sehr gut“, raunt Merkel dem FDP-Mann zu, als der seine Rede beendet hat. Endlich ist das Thema vom Tisch. Zumindest vorerst.

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