Wie ein Friedensappell fast ungehört verhallt

Mehr als 60 Prominente warnen vor einem Krieg mit Russland. Aber ARD und ZDF berichten nicht darüber.

Wie ein Friedensappell fast ungehört verhallt
Foto: dpa

Düsseldorf. Die Namen sind so prominent, dass es an Aufmerksamkeit eigentlich nicht mangeln sollte: Roman Herzog, der Alt-Bundespräsident von der CDU, hat ebenso unterschrieben wie Gerhard Schröder, der Alt-Kanzler von der SPD. Mit dabei sind auch Schauspieler wie Mario Adorf und Klaus Maria Brandauer, ein Filmemacher wie Wim Wenders und Antje Vollmer, die frühere Vizepräsidentin des Bundestages von den Grünen.

Geholfen hat die Prominenz der Unterzeichner allerdings nicht. Denn der Appell für eine „neue Entspannungspolitik für Europa“ zur Entschärfung der Ukraine-Krise verhallte am vergangenen Freitag fast ungehört. ARD und ZDF haben in ihren Nachrichtensendungen nicht darüber berichtet. Die Deutsche Presse Agentur (dpa) beließ es bei einer Meldung. Wie kann das sein?

„Für mehr haben unsere Kapazitäten nicht gereicht“, sagt Martin Bialecki von dpa. Es sei ein nachrichtenstarker Tag gewesen. Ähnlich argumentieren ARD und ZDF. Auf Nachfrage des Medienjournalisten Stefan Niggemeier verweisen beide Sender auf die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen, den IS-Terror, das Ende von Opel in Bochum. Für den Appell sei da eben kein Platz mehr gewesen.

Als ob es die mehr als 60 Unterzeichner gewusst hätten. Sie appellieren nämlich an die Medien, „ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen.“

Im Kern warnen die Prominenten vor der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung. Sie setzen auf Dialog, hoffen auf einen Wandel durch Annäherung. Es gehe nicht um Putin, sondern darum, Russland nicht aus Europa hinauszudrängen. Ein neuer Krieg müsse verhindert werden.

Es ist legitim, die Unterzeichner des Appells als „Russland-Versteher“ zu beschimpfen. In der „Welt“ heißt es, der Aufruf sei peinlich und stelle die Tatsachen auf den Kopf. Die „taz“ warnt davor, vor Putin einen Bückling zu machen. Die „FAZ“ wirft Schröder Gedächtnisschwund vor, weil er sich von eigenen Positionen distanziere.

Wie gesagt, solche Einordnungen sind legitim, für manche sicher auch nachvollziehbar und richtig. Nicht in Ordnung ist es dagegen, wenn ARD und ZDF sich weigern, den Appell zur Kenntnis zu nehmen. Und peinlich wird’s, wenn die ARD auf ein „Tagesthemen“-Interview mit Angela Merkel verweist, in dem der Appell drei Tage nach der Veröffentlichung angesprochen worden sei. Damit habe die Redaktion dem Aufruf „ein hohes Gewicht beigemessen“.

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