Kommentar Ungarn und Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen: Europa nicht im Stich lassen

Düsseldorf. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das Ungarn und die Slowakei nun zwingt, sich in Europa auch europäisch zu verhalten, ist nicht mehr als eine absolute Selbstverständlichkeit.

Kommentar: Ungarn und Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen: Europa nicht im Stich lassen
Foto: Schwartz, Anna (as)

Und eine sehr späte noch dazu: Die Einigung der EU-Staaten, 120 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umzuverteilen, datiert vom 22. September 2015. Zwei Jahre sind angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa in den kommenden Jahren steht, eine viel zu lange Zeit, um EU-Nutznießerstaaten daran zu erinnern, dass die EU-Mitgliedschaft einen selbstverständlichen Preis hat.

Der Widerstand, den Ungarn, die Slowakei, Rumänien und Tschechien seit zwei Jahren gegen eine (geringe) innereuropäische Umverteilung leisten, geht derzeit vor allem zu Lasten Italiens, an dessen Küsten man jeden Tag sehen kann, dass sich die Flüchtlingsströme aus dem afrikanischen Kontinent völlig unabhängig vom militärischen Fokus auf Syrien und den Irak entwickeln. In Italien richtet das Versagen Europas inzwischen massiven innenpolitischen Schaden an.

Fänden, wie ursprünglich geplant, dort noch in diesem Jahr Wahlen statt, könnte der Zorn der Italiener Verrückte ins Parlament spülen, gegen die Frankreichs Rechtsextremistin Marine Le Pen sich wie eine nette, vernünftige Frau ausnimmt. Die Europa-kritische „Fünf-Sterne-Bewegung“ rutscht in den Umfragen nicht mehr unter 30 Prozent. Nun steht die Italienwahl für das Frühjahr 2018 an. Völlig zu recht fordern sowohl EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos und Italiens Außenminister Angelino Alfano eine bessere Koordinierung in der Flüchtlingsfrage.

Deshalb dürfen Europas wichtigste Anführer sich jetzt nicht befriedigt zurücklehnen, auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs verweisen und bei Nicht-Berücksichtigung in Ungarn und Tschechien auf den nächsten juristischen Schritt, das Vertragsverletzungsverfahren, hinweisen. Das ist nicht zuletzt Aufgabe der Bundeskanzlerin. Sie hat 2015 viel richtig gemacht, aber es versäumt, die europäischen Partner mit ins Boot zu holen. Diese Europa-Arbeit muss sie nun nachholen, und zwar schnell — und das am besten diesmal im Verein mit den Europäern, die Europa wollen, und endlich auch den Willen entwickeln, es mittels wirtschaftlicher Macht durchzusetzen.

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