Vom Hoffnungsträger und Charmeur zum Tatverdächtigen

Immer neue Vorwürfe bringen den französischen Präsidentschaftskandidaten Dominique Strauss-Kahn in Bedrängnis.

Paris. Die schweren Anschuldigungen gegen den aussichtsreichen sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Dominique Strauss-Kahn (62) haben in Paris ein politisches Erdbeben ausgelöst. Nicht nur enge Freunde finden die Vorwürfe so unglaublich, dass sie den als Schürzenjäger bekannten IWF-Chef als Opfer eines Komplotts hinstellen.

Unterdessen sind in Paris neue Vorwürfe gegen den jäh abgestürzten Polit-Star laut geworden: DSK, wie Strauss-Kahn genannt wird, hat danach offenbar bereits 2002 versucht, eine 22 Jahre alte Journalistin zu vergewaltigen. Tristane Banon heißt die Blondine, die den Spitzenpolitiker damals um ein Interview bittet. Bizarr der Ort des Gesprächs: eine Art Junggesellenbude. „Die Wohnung war komplett leer“, erinnert sich Tristane Banon, „es gab lediglich ein Bett, einen Fernseher und einen Videorekorder.“

Ihre Tatversion: Zuerst drängt er sie zu Zärtlichkeiten. Sie lehnt ab. Dann kommt es zu Handgreiflichkeiten. „Wir lagen auf dem Boden“, berichtet Tristane und fügt hinzu: „Ich wehrte mich mit Fußtritten, doch er öffnete meinen BH und versuchte, mir die Jeans auszuziehen.“ Trotzdem sei ihr die Flucht gelungen.

Doch anstatt DSK anzuzeigen, schweigt Tristane Banon. Denn Strauss-Kahn-Tochter Camille ist eine von Tristanes besten Freundinnen. Außerdem hat sie DSKs zweite Frau zur Patentante. Aber es ist ihre Mutter Anne Mansouret die sie dazu bringt, die Anschuldigungen für sich zu behalten. Sie ist eine Parteifreundin des bekannten Sozialisten und Generalrätin im Département Eure in der Normandie.

Doch so ganz wird sich Tristane Banon nicht an das Schweigegelübde halten. Im Februar 2007, DSK bewirbt sich damals parteiintern um die Präsidentschaftskandidatur, schildert Tristane Banon ihr Horror-Erlebnis in einer Talkrunde des Senders „Paris Première“. Nur: Der Name des Beschuldigten wird durch einen Piepton unkenntlich gemacht.

Dass Dominique Strauss-Kahn einen anscheinend unersättlichen Drang zum weiblichen Geschlecht verspürt, weiß ganz Paris. Dass er es mit der Treue nicht so genau nimmt — nun, wo ist das Problem? fragen einige Franzosen, die nach denselben lockeren Moralvorstellungen leben.

Doch spätestens seit dem New Yorker Sex-Skandal zeichnen sie ein anderes Bild von Dominique Strauss-Kahn: nicht mehr das des Charmeurs, sondern das eines Busengrapschers. Mehr noch: das Bild eines mutmaßlichen Kriminellen, der Frauen erniedrigt und dabei offenbar vor Vergewaltigung nicht zurückschreckt.

Auch Aurélie Filippetti, einst Pressesprecherin der Sozialisten in der Nationalversammlung, erinnert sich an eine hässliche Anmache. Eine Begegnung, die so traumatisierend war, dass sie dem Magazin „Courrier International“ gestand: „Von da an habe ich stets vermieden, mit ihm alleine in einem Raum zu sein.“

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