Türkisch-israelischer Streit ruft Besorgnis hervor

Washington/Istanbul/Tel Aviv/Ramallah (dpa) - Nach der Eskalation des Streits zwischen der Türkei und Israel bemühen sich Verbündete beider Länder um Schadensbegrenzung.

Die USA forderten die Regierungen in Ankara und Jerusalem auf, die Auseinandersetzung um den blutigen Einsatz gegen die Gaza-Hilfsflotte vor 15 Monaten zu beenden. Auslöser für den jüngsten Streit war ein UN-Untersuchungsbericht zu den Vorfällen. Die Palästinenser forderten in diesem Zusammenhang ein Ende der Blockade des Gazastreifens durch Israel.

Washington bedauere, dass beide Länder ihre Differenzen nicht hätten beilegen können, teilte das US-Außenministerium in Washington mit. Außenminister Guido Westerwelle rief die Türkei am Samstag auf, das Ergebnis der internationalen Untersuchung über die Gaza-Hilfsflotte zu akzeptieren.

Die Türkei hatte am Vortag den israelischen Botschafter ausgewiesen und alle Militärabkommen mit Israel auf Eis gelegt. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül drohte mit weiteren Schritten. Israel bedauerte die Entwicklung.

Nur Stunden vor der Entscheidung war ein für Ankara unangenehmer UN-Untersuchungsbericht zur blutigen Erstürmung des türkischen Schiffes „Mavi Marmara“ durchgesickert. Bei der israelischen Kommandoaktion waren neun Türken getötet worden. In dem Untersuchungsbericht wird Israels Position in wesentlichen Punkten gerechtfertigt.

Die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland kritisierte den UN-Bericht. „Zu behaupten, die israelische Blockade des Gazastreifens sei legal, ist abscheulich und ermuntert Israel nur, weiterhin die Rechte des palästinensischen Volkes, vor allem im Gazastreifen, zu verletzen“, sagte Ministerpräsident Salam Fajad in Ramallah. Auch die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas forderte ein Ende der Blockade. Zugleich begrüßte die von den USA und der Europäischen Union als terroristisch eingestufte Organisation die Reaktion der Türkei.

„Die Bundesregierung sieht diese jüngsten Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Israel mit großer Sorge“, sagte Westerwelle im polnischen Ostseebad Zoppot. „Und wir rufen alle Beteiligten auf, hier keine neuen Verschärfungen ins Spiel zu bringen, sondern auf Entspannung und Gesprächsfähigkeit hinzuarbeiten.“

Es habe eine „unabhängige und transparente Untersuchung“ gegeben, sagte Westerwelle. „Diese Ergebnisse sollten ernst genommen werden, selbst wenn sie dem einen oder anderen in bestimmten Aspekten nicht gefallen.“ Er habe bei einem Treffen der EU-Außenminister in Zoppot auch dem dort anwesenden türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu seine Meinung gesagt.

Ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter hatte gesagt, Israel „akzeptiere“ den Bericht. Zugleich betonte der Sprecher, der ungenannt bleiben wollte, die israelische Regierung habe sich um eine Entschärfung des Konflikts bemüht. „Leider hatten wir keinen Erfolg.“ Mitglieder der israelischen Regierung äußerten sich zunächst nicht. Am Samstag ruhten die Amtsgeschäfte wegen des Sabbat.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine von der Türkei geforderte offizielle Entschuldigung aber ab, allerdings hat er sein Bedauern über den Verlust an Menschenleben ausgesprochen.

Türkische Medien berichteten am Samstag, Ankara sei auch verärgert darüber, dass der Untersuchungsbericht während noch laufender Bemühungen um eine Beilegung des Streits in die Öffentlichkeit gelangt sei. Die türkische Regierung gehe davon aus, dass politische Kreise in Israel dies organisiert hätten, um eine Kompromissformel zu verhindern.

Die türkische Zeitung „Hürriyet Daily News“ berichtete, die Türkei wolle nun ihren Schiffsverkehr im Mittelmeer von der Marine schützen lassen, womöglich auch türkische Hilfslieferungen an die Palästinenser. „Es wird nun eine aggressivere Strategie verfolgt werden. Israel wird nicht länger in der Lage sein, sich unbehindert wie ein Rüpel zu verhalten“, sagte ein türkischer Diplomat der Zeitung.

Israelische Militärs hatten die „Mavi Marmara“, die zusammen mit anderen Schiffen Israels Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen und 10 000 Tonnen Hilfsgüter zu den Palästinensern bringen sollte, am 31. Mai 2010 von Kommandobooten und Hubschraubern aus angegriffen.

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