Straßenschlachten in Ägypten

Kairo (dpa) - Bei Massenprotesten der Islamisten gegen den Sturz ihres Präsidenten Mohammed Mursi sind in Ägypten landesweit sechs Menschen ums Leben gekommen.

Am Freitagabend lieferten sich Anhänger und Gegner des abgesetzten Präsidenten im Zentrum von Kairo schwere Straßenschlachten. Damit endete der „Freitag der Ablehnung“ in Chaos und Gewalt.

Zehntausende waren zuvor nach dem Mittagsgebet in Kairo und anderen Städten gegen den „Militärputsch“ auf die Straße gegangen. Der ägyptische Übergangspräsident Adli Mansur löste mit einer seiner ersten Weisungen das Parlament auf.

Mohammed Badia, der Führer der Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, forderte die Anhänger der Organisation auf, so lange auf der Straße zu bleiben, bis Mursi wieder in sein Amt eingesetzt ist. „Wir werden ihn (Mursi) auf unseren Schultern tragend (ins Amt) zurückbringen“, rief Badia Zehntausenden zu. „Wir werden für ihn unsere Seelen opfern.“ Mursi war am Mittwoch von der Armeeführung nach blutigen Massenprotesten entmachtet worden.

Nach dem Mittagsgebet waren Demonstranten vor den Sitz der Republikanischen Garden zogen, wo Mursi angeblich festgehalten wird. Dort eröffneten Soldaten das Feuer. Sicherheitskreise in Kairo bestätigten zwei Tote und acht Verletzte bei den Schüssen in der Hauptstadt. Zu Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und -Gegnern kam es auch in der Nildelta-Provinz Baheira und in Al-Arisch auf dem Sinai. Die Muslimbruderschaft hatte zu den Protesten aufgerufen.

Die Afrikanische Union (AU) schloss Ägypten wegen des Umsturzes aus ihren Reihen aus. Der Machtwechsel in Kairo „entspreche nicht der Verfassung Ägyptens“, lautete die Begründung des AU-Sicherheitsrates am Freitag in Addis Abeba.

Das Militär hatte Mursi am Mittwoch gestürzt. Er hatte es nach heftigen Zusammenstößen nicht geschafft, die Lage zu beruhigen. Auch gegen die Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, ging die Militärführung scharf vor. Verfassungsgerichtspräsident Mansur trat die vorübergehende Nachfolge Mursis an.

Unmittelbar nach seiner Vereidigung hatte Mansur angekündigt, die Islamisten an der Regierung beteiligen zu wollen. Dies schlossen die religiösen Kräfte jedoch kategorisch aus. Mursi selbst bezeichnete seine Entmachtung als „klaren Militärputsch“.

Die landesweiten Proteste der Islamisten waren zunächst friedlich verlaufen. Die Menschen riefen: „Mursi ist der Präsident!“ Sie machten ihrer Wut darüber Luft, dass der erste frei gewählte Präsident in der Geschichte Ägyptens aus ihrer Sicht willkürlich entmachtet wurde. Die größte Kundgebung fand vor der Rabia-al-Adawija-Moschee in der Kairoer Vorstadt Nasr City statt. Tausende Menschen strömten auch in Alexandria, Luxor und Damanhur im Nildelta zusammen.

Das Militär hatte von vornherein klargemacht, dass es durchgreifen werde, sollten die Demonstrationen aus dem Ruder laufen. In einer in der Nacht zum Freitag verbreiteten Erklärung rief der Oberste Militärrat die Ägypter auf, Ruhe zu bewahren und ihr Recht auf Demonstrationen nicht überzubeanspruchen. „Exzesse durch unnötige Beanspruchung dieses Rechts und mögliches unerwünschtes Verhalten wie Straßensperren, die Blockade öffentlicher Einrichtungen oder die Zerstörung von Eigentum“ würden nicht geduldet.

Auf der Halbinsel Sinai griffen militante Islamisten in der Nacht zum Freitag fünf Armeekontrollpunkte mit Gewehren und Panzerfäusten an. Ein Soldat wurde getötet, drei weitere verletzt, wie ägyptische Sicherheitskreise bestätigten. Zunächst war nicht klar, ob die Attacken im Zusammenhang mit dem Sturz Mursis standen.

Der deutsch-ägyptische Autor und Politologe Hamed Abdel-Samad (41), der nach einem Vortrag über „religiösen Faschismus“ mit Morddrohungen belegt worden war, nannte den Umsturz am Nil einen „Sieg der Hoffnung“. Bei den angekündigten Neuwahlen sei mit einer deutlichen Niederlage der Muslimbrüder zu rechnen, schrieb er in einem Gastbeitrag der „Bild“-Zeitung.

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