Deutscher Druck auf Brüssel für längere Grenzkontrollen

Berlin (dpa) - Gemeinsam mit fünf anderen zentralen EU-Staaten drängt Deutschland die Brüsseler Kommission, Grenzkontrollen ab Mitte Mai für weitere sechs Monate zu genehmigen - trotz deutlich gesunkener Flüchtlingszahlen.

Deutscher Druck auf Brüssel für längere Grenzkontrollen
Foto: dpa

Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière wäre dies angesichts möglicher neuer Migrationsbewegungen ein „klares Zeichen europäischer Handlungsfähigkeit“. Der CDU-Politiker sagte am Samstag in Berlin, in dem Brief an die EU-Kommission gehe es darum, dass diese dem Europäischen Rat „einen Vorschlag zur Aktivierung des Krisenmechanismus des Schengener Grenzkodexes vorlegt“.

Laut „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ wird die Kommission am Mittwoch tatsächlich empfehlen, die Grenzkontrollen über den 12. Mai hinaus bis Mitte November zu verlängern. Der Vorschlag beziehe sich auf bestehende Kontrollen in Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen wegen des Flüchtlingsandrangs aus Griechenland.

Die Kommission hebe hervor, dass es sich um „verhältnismäßige“ und „zeitliche beschränkte“ Kontrollen handele, schreibt die Zeitung unter Berufung auf den Entwurfstext. Für Kontrollen an der österreichisch-italienischem Grenze am Brenner, wie sie Wien wegen möglicher Asylbewerber von der Mittelmeerroute vorbereitet, müsse die dortige Regierung eine andere Rechtsgrundlage finden.

De Maizière sprach am Samstag von einer weiterhin schwierigen Lage: „Auch wenn sich die Flüchtlingssituation an den Binnengrenzen entlang der Westbalkanroute derzeit entspannt hat, blicken wir mit Sorge auf die Entwicklungen an den Außengrenzen der Union.“ Die Mitgliedstaaten müssten „weiterhin die Möglichkeit haben, Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen lageabhängig und flexibel dort anwenden zu können, wo es erforderlich ist“.

Noch Anfang April hatte de Maizière eine Aufhebung der Kontrollen wegen der entspannteren Lage ins Gespräch gebracht. „Wenn die Zahlen so niedrig bleiben, würden wir über den 12. Mai hinaus keine Verlängerung der Grenzkontrollen durchführen.“ Damit löste er heftigen Protest im CSU-regierten Bayern aus.

Die Abstimmung des Schreibens der sechs EU-Länder soll laut Berliner Regierungskreisen am Montagvormittag abgeschlossen sein. Zu den Initiativ-Ländern gehören neben Deutschland noch Frankreich, Österreich, Belgien, Dänemark und Schweden.

Der Schutz der EU-Außengrenzen in der Flüchtlingskrise darf nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel nicht auf Kosten der Freiheiten im Schengen-Raum gehen. Deshalb sei die EU in einer „ganz entscheidenden Phase“, sagte die CDU-Vorsitzende in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Sie habe sich entschieden, „dafür zu kämpfen, dass wir unsere Außengrenzen schützen können, dass wir den Raum der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit behalten“.

Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, forderte die 28 Mitgliedsstaaten auf, keine neuen Grenzen hochzuziehen. Er sagte dem Deutschlandfunk: „Und ich finde, dass wir das auch von Österreich verlangen können.“

Der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, rechnet derweil für 2016 mit einer deutlichen Zunahme der Flüchtlingszahlen aus dem nordafrikanischen Land. „Dass dieses Jahr sehr viel mehr Migranten über Libyen nach Europa kommen, lässt sich nicht mehr ändern“, sagte der deutsche Diplomat der „Welt am Sonntag“. „Solange es hier keine funktionierende Regierung gibt, kann niemand diesem Problem wirksam begegnen.“ Allein im ersten Quartal seien 24 000 Menschen aus Libyen nach Europa aufgebrochen. Dabei ist die Überfahrt in der kälteren Jahreszeit schwieriger. „Wenn man das hochrechnet, dann kommen dieses Jahr sicher mindestens 100 000 Menschen über das Mittelmeer.“

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), lobte den Versuch de Maizières, „gemeinsam mit den Innenministern anderer EU-Länder, die derzeit Binnengrenzkontrollen durchführen, bei der EU-Kommission eine Verlängerung der Grenzkontrollen bis Ende des Jahres 2016 zu erreichen“. Solange man - gerade angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus - nicht lückenlos wisse, wer in die EU ein- und ausreist, seien Grenzkontrollen „unverzichtbar“.

Die CSU verlangt, Kontrollen an der Grenze zu Österreich in Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei auszubauen und vorerst bis Ende des Jahres weiterzuführen. Mit dieser Linie will CSU-Chef Horst Seehofer in ein für nächstes Wochenende geplantes Unions-Spitzentreffen zum Streit mit Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingskrise gehen.

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