Putin und Medwedew tauschen in Russland ihre Ämter

Moskau (dpa) - Mit einem spektakulären Ämtertausch hat Russlands starker Mann Wladimir Putin seine Rückkehr in den Kreml vorbereitet. Der jetzige Regierungschef tritt auf Vorschlag von Noch-Staatsoberhaupt Dmitri Medwedew bei der Präsidentenwahl im März 2012 an.

Sein Sieg gilt als sicher. Putin seinerseits empfahl der Regierungspartei Geeintes Russland seinen politischen „Ziehsohn“ Medwedew als Spitzenkandidaten für die Duma-Wahl am 4. Dezember. Medwedew soll danach unter Putin die Regierungsgeschäfte führen. Die Opposition in Moskau sprach von einem „Horrorszenario“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die US-Regierung reagierten zurückhaltend.

Sie werde mit jedem russischen Präsidenten gut zusammenarbeiten, ließ Merkel in Berlin mitteilen. Die USA kündigten an, unabhängig von Namen den Neustart ihrer Beziehungen mit Russland weiter voranzutreiben. Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident Michail Gorbatschow zeigte sich skeptisch. „Wenn der künftige Präsident nur am Machterhalt interessiert sein sollte, werden dies für Russland sechs verlorene Jahre“, betonte der 80-Jährige am Sonntag.

Die beiden mächtigsten Politiker Russlands legten bei einem Kongress der Regierungspartei in Moskau am Vortag ihre Pläne offen und beendeten damit eine lange Zeit der Ungewissheit. 20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion wird Putin damit aller Voraussicht nach der erste russische Präsident, der nach einer Unterbrechung in den Kreml zurückkehrt.

Mehr als 10 000 Delegierte und Gäste bejubelten die Entscheidung mit frenetischem Beifall. „Was wir diesem Parteitag anbieten, ist eine tief durchdachte Lösung“, sagte Medwedew auf dem live im Staatsfernsehen übertragenen Treffen. Er habe diese Variante schon seit Jahren mit Putin besprochen. 2008 hatte Putin Medwedew zu dem Amt verholfen.

„Ich bin bereit zur Regierungsarbeit“, rief Medwedew den Delegierten zu. Nach seiner Rede umarmte der amtierende Kremlchef seinen wahrscheinlichen Nachfolger Putin. Der Parteitag wählte Medwedew, der wie Putin nominell nicht Mitglied von Geeintes Russland ist, mit 582 Ja-Stimmen bei nur einer Gegenstimme zum Spitzenkandidaten für die Duma-Wahl in zehn Wochen. Zuvor war das Führungstandem unter rhythmischem Klatschen demonstrativ Seite an Seite in den Luschniki-Sportpalast nahe der Moskwa geschritten.

Der Ex-Geheimdienstoffizier Putin durfte 2008 nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Die russische Verfassung erlaubt aber nach einer Pause eine erneute Bewerbung für das höchste Staatsamt. Künftig beträgt die Amtszeit des Präsidenten sechs statt bisher vier Jahre. 2018 dürfte Putin noch einmal kandidieren.

„Das bedeutet nicht Modernisierung, sondern Stagnation“, kritisierte Sergej Mitrochin von der Oppositionspartei Jabloko. Ex-Regierungschef Michail Kasjanow sagte: „Wenn Putin wieder Präsident wird, ist ein Kollaps des Landes unvermeidlich.“ In einer ungewöhnlich scharfen Reaktion kündigte der allseits geachtete Finanzminister Alexej Kudrin an, der neuen Regierung nicht angehören zu wollen. „Aufgrund einer Reihe von Differenzen schließe ich derzeit einen möglichen Ministerposten unter Dmitri Medwedew aus“, sagte Kudrin. Mit Verbitterung reagierte einer der engsten Mitarbeiter Medwedews. „Dies ist kein Grund zur Freude“, schrieb Präsidentenberater Arkadi Dworkowitsch bei Twitter.

Bundeskanzlerin Merkel habe den Vorschlag zur Kenntnis genommen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Die Kanzlerin arbeite sehr gut mit Medwedew zusammen. Deutschland und Russland verbinde eine strategische Partnerschaft. Die Grünen fürchten nun anhaltenden Reformstau in Russland. „Die angekündigte Rochade verheißt für das Land nichts Gutes“, sagte Osteuropa-Expertin Marieluise Beck.

„Wir wollen bei den Wahlen siegen, damit unser Land nicht wieder in die Klauen derer gerät, die es zerstören wollen“, sagte Medwedew zum Abschluss des Parteitags. Geeintes Russland habe dem Riesenreich nach den chaotischen 1990er Jahren Stabilität verliehen. Putin versprach der jubelnden Menge ein Konjunkturprogramm, um das angeschlagene Land voranzubringen und bis 2016 in die Riege der weltgrößten Wirtschaftsnationen zu führen.

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