Nach Berlusconis Rücktritt soll Monti regieren

Rom (dpa) - In Italien muss nun alles schnell gehen. Während Berlusconi-Gegner dessen Rücktritt feiern, treibt Staatschef Giorgio Napolitano die Bildung einer Übergangslösung mit dem Wirtschaftsexperten Mario Monti voran.

Dieser sagt zunächst aber nur „unter Vorbehalt“ zu.

Napolitano beauftragte am Sonntagabend den früheren EU-Kommissar Monti mit der Regierungsbildung. Der 68-jährige Wirtschaftsfachmann nahm die Aufgabe an. Notwendig seien Konsultationen, die er schnell, aber sorgfältig ausführen wolle, sagte Monti. „Ich werde zum Präsidenten zurückkehren, sobald ich in der Lage bin, diesen Vorbehalt aufzulösen.“

Italien müsse in Europa ein Element der Stärke und nicht der Schwäche sein, fügte Monti hinzu. Er habe vor, seine Aufgabe mit Verantwortung auszuführen. Das Land werde in einer gemeinsamen Anstrengung aus der Notlage herausfinden. Monti bezog sich auf die schwere Schuldenkrise des Landes, das unter dem Druck der Finanzmärkte steht und unter mangelndem Wachstum leidet.

Napolitano rief im Interesse des Landes zu einer Regierung auf, die breite Unterstützung finden müsse. In diesen Zeiten der Krise gelte es, sofortige Neuwahlen zu vermeiden. Der Staatspräsident hatte nach dem Rückzug Berlusconis ganztägig Gespräche über dessen Nachfolge geführt. Monti waren beste Chancen eingeräumt worden, weil inzwischen auch Berlusconis Partei prinzipiell Zustimmung gegeben hat. Eine Alternative zu einer Übergangsregierung von Fachleuten wären Neuwahlen.

Sollte Monti Chef einer Notregierung werden, erwartet ihn eine schwierige Aufgabe: Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung innerhalb der Eurozone auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erhofft sich von einer raschen Neuordnung in Rom einen stabilisierenden Effekt auf die Eurozone. „Ich denke, dass wir in den nächsten Tagen eine Regierungsbildung haben werden“, sagte sie am Sonntag in Leipzig.

Der frühere Präsident der EU-Kommission und ehemalige italienische Ministerpräsident Romano Prodi räumte Monti gute Erfolgschancen ein. Eine „glaubwürdige Regierung unter Monti“ werde dafür sorgen, dass es nach Berlusconi mit Italien wieder aufwärtsgehe, sagte Prodi dem Magazin „Focus“.

Berlusconi war am Samstagabend wie angekündigt zurückgetreten, nachdem das Abgeordnetenhaus ein von der EU verlangtes Sparpaket gebilligt hatte. Aus der Politik verabschieden will er sich aber nicht. „Ich wünsche mir, gemeinsam mit Euch den Weg an die Regierung wieder aufzunehmen“, schrieb er in einem Brief an die politische Formation Destra Nazionale.

Der Chef seiner Partei Volk der Freiheit (PdL), Angelino Alfano, meinte, Berlusconi werde wohl den PdL-Vorsitz übernehmen. Am Abend kündigte Berlusconi in einer TV-Botschaft an, mit doppelter Kraft politisch im Parlament weitermachen zu wollen.

Als letzter Akt der Regierung Berlusconi war am Samstag ein Gesetzespaket gegen die Schuldenkrise verabschiedet worden. Berlusconi hatte die Annahme zur Bedingung für seinen Rücktritt gemacht. Vorgesehen sind Steuererleichterungen zur Förderung des Wachstums, der Verkauf von Staatseigentum zum Abbau der Schulden und eine Anhebung des Rentenalters auf 67 bis 2026.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Maßnahmen als „wichtigen Beitrag auch zur derzeitigen Stabilisierung in Europa“.

Nach dem Abgang Berlusconis feierten dessen Gegner ein nächtliches Freudenfest. Stundenlang wurden in Rom Fahnen geschwenkt, Autohupen waren zu hören. Beobachter meinten, so sei bisher nur gefeiert worden, wenn Italien den Weltmeistertitel im Fußball geholt hatte.

Vor dem Präsidentenpalast Quirinale, den Berlusconi nach seinem Rücktritt durch die Hintertür verließ, feierten hunderte Italiener auch aus anderen Landesteilen - über SMS und Facebook mobilisiert, wie italienische Medien berichteten. Zur italienischen Nationalhymne und Georg Friedrich Händels „Halleluja“ begingen sie den „12. November - Tag der Befreiung“. Sprechchöre skandierten „Raus mit der Mafia aus dem Staat“ und auch „Hanswurst, geh nach Hause“.

Berlusconis Rücktritt wird in Italien als Ende einer Epoche gewertet: 17 Jahre lang prägte der „Cavaliere“ politisch das Geschehen in seinem Land. „Heute ist der Tag der Befreiung Italiens“, meinte der Chef der größten Oppositionspartei PD (Demokratische Partei), Pierluigi Bersani, zu dem Rücktritt, den die Gegner seit langem von dem umstrittenen Berlusconi verlangt hatten.

Registriert wurde der Rücktritt auch in China: Er „beendet eine Ära in Italien, die von Skandalen geprägt war“, schrieb die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Der russische Regierungschef Wladimir Putin hatte seinen Freund Berlusconi bereits am Freitag als „letzten Mohikaner der europäischen Politik“ bezeichnet. Berlusconi sei trotz seiner „skandalösen Frauengeschichten“ mit seinem langem Verbleib an der Macht ein „Segen für das italienische Volk“ gewesen.

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