Muslimbrüder teilen die Macht mit dem Militär

Mohammed Mursi wird als neuer Präsident bejubelt. Doch unbeschränkt schalten und walten kann er nicht.

Kairo. Sonntag ist der erste Werktag der islamischen Woche. Doch schon am frühen Nachmittag war Kairos Innenstadt wie ausgestorben. Banken, Geschäfte und Behörden hatten ihre Beschäftigten nach Hause geschickt. Denn für 15 Uhr war die Bekanntgabe des Ergebnisses der Präsidentenwahl angekündigt. Man befürchtete „Ärger“, falls der „falsche“ Kandidat zum Sieger gekürt würde.

Auf dem Tahrir-Platz im Herzen Kairos lagerten Zehntausende Anhänger des islamistischen Kandidaten Mohammed Mursi. Den „Ärger“ hätte man von ihnen erwartet, wäre sein Konkurrent Ahmed Schafik, der Mann des alten Regimes, zum Sieger erklärt worden.

Bereitschaftspolizei mit Radpanzern stand schon seit Tagen rund um die nahe gelegenen Regierungsgebäude und das vom herrschenden Militärrat vor anderthalb Wochen geschlossene Parlament.

Doch so hoch die Spannung nach einer polarisierenden Wahlschlacht mit gegenseitigen Anfeindungen und Unterstellungen gestiegen war, so erlösend wirkten die Worte des Wahlkommissionschefs Faruk Sultan auf der live übertragenen Pressekonferenz.

Nicht, dass er sofort zur Sache gekommen wäre: Fast eine Stunde lang schimpfte der honorige Richter über Druck und Verleumdungen, denen seine Kommission von Seiten „bestimmter politische Faktoren“ — gemeint waren die Muslimbrüder — ausgesetzt gewesen sei.

Doch am Ende war es raus. Mursi hatte fast 900 000 Stimmen mehr als Schafik auf sich vereint. Auf dem Tahrir-Platz kannte der Jubel keine Grenzen. Mursis Anhänger und Sympathisanten schwammen im Glück.

Der Optimismus reflektierte die Stimmung unter der Anhängerschaft. Doch er blendet vorerst aus, dass Mursis Vollmachten von den jüngsten Verfassungsänderungen durch den regierenden Militärrat deutlich eingeschränkt wurden (siehe Infokasten).

Das werden die Islamisten nicht hinnehmen. Der Machtkampf, der seit dem Abgang des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak im Februar 2011 andauert, geht also in eine neue Runde. Die gut organisierten Muslimbrüder brauchen dabei auch die weltlichen und revolutionären Gruppen und Strömungen.

Also die Gruppen, denen sie den Sturz ihres Feindes Mubarak überhaupt erst zu verdanken haben, denen sie aber zuletzt selbstsicher die kalte Schulter gezeigt hatten.

So sendeten die Islamisten am Sonntag beschwichtigende Signale in diese Richtung — und auch an die säkularen Unterstützer des unterlegenen Schafik.

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