Mordanklage gegen Julia Timoschenko

Staatsanwalt rollt Fall aus dem Jahr 1996 neu auf.

Kiew. Kritiker beschreiben Renat Kusmin als Kettenhund des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Beißhemmungen sind dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt fremd. Kurz vor der Halbzeit der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine eröffnete Kusmin jetzt die Jagd auf die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko neu. „Wir haben Beweise, dass sie 1996 am Mord an dem Geschäftsmann Jewgeni Schtscherban beteiligt war, und wir werden sie anklagen“, erklärte Kusmin.

Es wäre das dritte Verfahren gegen die ehemalige Regierungschefin, die bereits zu sieben Jahren Gefängnis wegen Amtsmissbrauchs verurteilt wurde und wegen Steuerhinterziehung angeklagt ist. Die EU spricht von politisch motivierter Rachejustiz und fordert die Freilassung der 51-Jährigen, die nach einem Bandscheibenvorfall starke Schmerzen hat und in einer Klinik untergebracht ist. „Das einzige Hindernis für die Anklage ist ihre Krankheit“, sagt Kusmin.

Der Mordfall wirft ein Schlaglicht auf das Ringen zwischen Timoschenko und ihren Gegnern. Sie alle teilen eine undurchsichtige Vergangenheit. Im November 1996 schossen Auftragskiller Schtscherban auf dem Flughafen im ostukrainischen Donezk nieder. In dem Kugelhagel starben auch seine Frau und mehrere Besatzungsmitglieder seines Privatjets. Die Mörder wurden später verhaftet, ihre Hintermänner aber blieben im Dunkeln.

Wichtigster Zweifel in eine Verwicklung von Timoschenko ist die offenkundige Voreingenommenheit der ukrainischen Justiz. Kein Geringerer als Präsident Janukowitsch selbst verkündete vor wenigen Tagen, dass es für die „Verbrechen Timoschenkos“ Beweise gebe, „einschließlich der Ermordung von Jewgeni Schtscherban“. Die in Rechtsstaaten geltende Unschuldsvermutung wischte er dabei vom Tisch und griff mit seinem Urteil den laufenden Ermittlungen vor.

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