Kampf gegen russische Propaganda

Russische Staatsmedien versuchen, die EU mit falschen Informationen zu destabilisieren: Deutsche Panzer in der Ukraine! Merkel importiert Prostituierte! Ganze zehn EU-Beamte sollen Aufklärung leisten.

Russische Desinformation: Der staatliche finanzierte Sender „Russland 24“ zeigt Bilder von deutschen Panzern, die angeblich die Grenze zur Ukraine überschrittenhaben. Das Original-Video eines Hobby-Filmers zeigt die Bundeswehr-Gefechtsübung „Grantiger Löwe“ der Panzerbrigade 12 auf dem TruppenübungsplatzBergen in der Lüneburger Heide.

Russische Desinformation: Der staatliche finanzierte Sender „Russland 24“ zeigt Bilder von deutschen Panzern, die angeblich die Grenze zur Ukraine überschrittenhaben. Das Original-Video eines Hobby-Filmers zeigt die Bundeswehr-Gefechtsübung „Grantiger Löwe“ der Panzerbrigade 12 auf dem TruppenübungsplatzBergen in der Lüneburger Heide.

Foto: Youtube

Brüssel. Es gibt da draußen eine Welt, in der haben deutsche Panzer der Typen Leopard I und II im September 2014 die Grenze zur Ukraine überschritten. Gesichtet wurden sie bei ihrem Vormarsch Richtung Osten auf einer Umgehungsstraße bei Lwiw (Lemberg). In dieser Welt hat die deutsche Regierung jetzt tschechische Prostituierte gekauft, um die Bedürfnisse junger Flüchtlinge zu befriedigen. Diese Prostituierten sollen anschließend die Geschlechtskrankheiten der Flüchtlinge unter den Tschechen verbreiten — als deutsche Rache für die tschechische Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen. In dieser Welt hat die CIA Drogenabhängige angeheuert, um in der Silvesternacht in Köln als muslimische Sexualstraftäter zu agieren. Die Männer wurden mit aus Steuergeld finanziertem Heroin bezahlt.

Wenn es um den russischen Präsidenten Wladimir Putin geht, greift der Kremlauch mal selbst in die Desinformation der Öffentlichkeit ein.

Wenn es um den russischen Präsidenten Wladimir Putin geht, greift der Kremlauch mal selbst in die Desinformation der Öffentlichkeit ein.

Foto: Sergei Ilnitsky

Permanente und massenhaft verbreitete Desinformation gehört inzwischen zum Standard-Repertoire der russischen Außen- und Innenpolitik. Sie bedient sich staatlicher TV-Sender, Zeitungen und digitaler Medien mit hohen dreistelligen Millionen-Euro-Budgets. In Russland und den ehemaligen Ostblock-Staaten verbreitet sie wüst verfälschte und frei erfundene Geschichten über die Niedertracht des Westens, im Westen verstärkt sie Verschwörungstheorien und Verdächtigungen gegen die Nato, die EU und alle, die der aggressiven russischen Militärpolitik in der Ukraine und in Syrien im Wege stehen.

Die Antwort aus Brüssel fällt eher halbherzig aus


Schon im vergangenen Jahr forderten die Außenminister von Dänemark, Estland, Großbritannien und Litauen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auf, der permanenten Diskreditierung des Westens, der Delegitimierung rechtmäßiger Regierungen und Demoralisierung der Bevölkerung etwas entgegenzusetzen; bisher fällt die Antwort aus Brüssel eher halbherzig aus. Seit September gibt es in Brüssel beim Auswärtigen Dienst im Bereich der Strategischen Kommunikation eine gerade einmal zehnköpfige Truppe, die sich etwas hochtrabend „East StratCom Task Force“ nennt und bisher wenig öffentlichkeitswirksam wenigstens die gröbsten russischen Desinformationen zu entkräften versucht.

Die „East StratCom Task Force“ greift auf ein Netzwerk von 450 Journalisten, zivilen Organisationen und staatlichen Stellen in mehr als 30 Ländern zurück. Bisher leistet sie kaum mehr, als deren Erkenntnisse in einem wöchentlichen Report zusammenzufassen. Dem gesetzten Ziel, effektiv die EU-Politik in den östlichen Nachbarländern zu kommunizieren und dort unabhängige Medien zu stärken, wird sie allerdings kaum gerecht. Gleichzeitig ist sie bemüht, den Vorwurf schlichter Gegen-Propaganda zu entkräften. Während direkt von der russischen Regierung finanzierte und gesteuerte Propaganda- Sender wie „RT“ und „Sputniknews“ mit eigenen Niederlassungen in Deutschland vertreten sind, plant die „East StratCom Task Force“ keine eigenen russischsprachigen TV-Sender.

Einen regelrechten Coup landete die russische Desinformation im Dezember, nachdem das türkische Militär einen russischen Kampfjet abgeschossen hatte. Wladimir Putin ließ verbreiten, nach seiner Meinung habe Erdogan mit dem Abschuss die Geschäfte seines Sohnes Bilal mit den IS-Terroristen schützen wollen. Schließlich greife die russische Luftwaffe konsequent Öl-Transporter des IS an. Über den Verdacht, Bilal Erdogan könne so etwas wie der heimliche „Öl-Minister“ des IS sein, berichtete unter anderem auch das „Handelsblatt“. Da die einzige Quelle für die Behauptungen jedoch der syrische „Informationsminister“ Omran Ahed Al Zoubi war, blieb die Glaubwürdigkeit gering. Tenor in allen Medien: gut möglich, aber unbewiesen.

Da konnten die russischen Sender Vesti, RT und Lifenews zufällig mit einem Beweis aushelfen: Sie veröffentlichten Fotos, die angeblich aus sozialen Netzwerken in der Türkei stammten und zeigen sollten, wie Bilal Erdogan mit militanten Dschihadisten und offiziellen IS-Vertretern vor Kameras posierte. Alle Fotos waren echt, keines manipuliert. Nur zeigten sie den Erdogan-Sohn nicht mit den IS-Ölhändlern, sondern mit Ismail und Ali Kember, den Inhabern des Restaurants „Cigeristan“ in Istanbul — die sich mit dem prominenten Gast fotografieren ließen.

Flüchtlinge in Deutschland stehen derzeit im Fokus

Aktuell sind die russischen Staatsmedien unter anderem damit beschäftigt, in Deutschland gegen Flüchtlinge als potenzielle, mutmaßliche oder echte Vergewaltiger zu hetzen. In der vergangenen Woche verbreitete der russische Sender Kanal 1 die Geschichte eines 13-jährigen russischen Mädchen, das angeblich von muslimischen Migranten in Berlin entführt, in deren Wohnung gefangen gehalten und mehrfach vergewaltigt worden sein sollte. Die Sender führten „Tante und Onkel“ des Mädchens als Zeugen vor.

Die Berliner Polizei sah sich schließlich genötigt, auf Facebook eine Erklärung zu dem Verschwinden der 13-Jährigen zu veröffentlichen: „Ja, es ist richtig — das Mädchen war kurzzeitig vermisst gemeldet und ist inzwischen wieder zurück. Uns ist bekannt, dass verschiedene Aussagen zu dem Sachverhalt in den sozialen Medien diskutiert werden. Fakt ist — nach den Ermittlungen unseres LKA gab es weder eine Entführung noch eine Vergewaltigung.“ Der Sender Russland 24 legte nach und interviewte angebliche „russische Deutsche“ als Vergewaltigungsopfer, die bereitwillig erklärten, auf sie sei Druck ausgeübt worden. Die deutsche Polizei habe sie gezwungen zu sagen, sie seien freiwillig mit den Migranten mitgegangen.

Wenn es um Putin geht, legt der Kreml auch mal selbst Hand an. Als der Präsident sich jüngst von „Bild“ interviewen ließ, schrieb die Homepage seines Amtssitzes das Ergebnis für russische Leser um. Wie die „taz“ feststellte, wurde die Übersetzung nicht nur um ein Drittel länger, sondern fiel auch deutlich ehrerbietiger aus. Lautete die Einstiegsfrage im Deutschen „Was ist so fürchterlich schiefgelaufen im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen?“, heißt sie auf russisch nun: „Was haben wir falsch gemacht?“

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