Kämpfe in Syrien eskalieren, UN-Resolution scheitert

Damaskus/New York (dpa) - Während im Sicherheitsrat erneut eine Syrien-Resolution am Veto Russlands und Chinas scheitert, eskaliert nach dem tödlichen Anschlag auf Assad-Vertraute der Bürgerkrieg in dem arabischen Land.

Aktivisten berichteten am Donnerstag von heftigen Attacken der Regierungstruppen in vielen Landesteilen. Dabei seien im Großraum Damaskus auch Kampfhubschrauber eingesetzt worden. Die Hauptstadt glich nach Angaben von Bewohnern einer Geisterstadt.

Nach Spekulationen über den Aufenthaltsort von Baschar al-Assad und mögliche Rückzugspläne des Präsidenten zeigte das syrische Staatsfernsehen am Abend Bilder, auf denen zu sehen war, wie der neue Verteidigungsminister Fahd Dschasim al-Fredsch seinen Amtseid vor dem Staatschef ablegt.

Al-Fredschs Vorgänger Daud Radscheha war am Vortag zusammen mit mindestens zwei weiteren hochrangigen Assad-Vertrauten bei dem Anschlag in Damaskus getötet worden. Nach dem Anschlag hatten Regimegegner gemeldet, die Präsidentenmaschine sei in Richtung der syrischen Hafenstadt Latakia gestartet. Die Assad-Familie stammt aus der Gegend. Deshalb war spekuliert worden, dass sich die Führung dort in eine Art alawitischen Kleinstaat zurückziehen könnte, sollte Damaskus in die Hände der Regimegegner fallen.

Ungeachtet der sich zuspitzenden Lage in Syrien ließen Russland und China mit ihrem Veto im Sicherheitsrat in New York zum dritten Mal eine UN-Resolution zu dem Konflikt scheitern. Die westlichen Mitglieder des Rats, die den Entwurf eingebracht hatten, zeigten sich nach der Abstimmung tief enttäuscht. „Es war unser Ziel, Einheit in diesem Gremium zu erreichen, aber einige Mitglieder wollten da nicht mitziehen“, sagte der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig. Sein britischer Kollege Mark Lyall Grant sprach von einem „Rückschlag“.

„Der Sicherheitsrat hat damit eine wichtige Chance vertan, dem Blutvergießen in Syrien Einhalt zu gebieten“, erklärte Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. „Mit ihrer Blockadehaltung stärken Moskau und Peking genau jenen Kräften den Rücken, die die Spirale der Gewalt weiter drehen wollen.“

Der Resolutionsentwurf, an dem auch Deutschland beteiligt war, sah einen Umbau der militärischen Beobachtertruppe zu einer zivileren Mission vor, die direkt Verhandlungen ankurbeln sollte. Zum ersten Mal enthielt der Entwurf auch die Drohung mit Wirtschaftssanktionen, wenn die Gewalt nicht endet. Das lehnt Russland ab.

„Diese Abstimmung hätte nie stattfinden dürfen“, kritisierte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin. „Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir keine Resolution akzeptieren können, die einen Verweis auf Kapitel VII enthält und damit die Tür für eine militärische Intervention öffnet.“ Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, nannte diesen Vorwurf „paranoid“. Es gehe weiterhin ausschließlich um wirtschaftliche Sanktionen.

Mit der Uneinigkeit im Rat steht auch die Beobachtermission Unsmis vor dem Aus, deren Mandat an diesem Freitag abläuft. Russland zog seinen Resolutionsentwurf, der eine Verlängerung vorsah, zurück. Die USA erklärten wenig später, eine Verlängerung habe keinen Sinn, wenn die Beobachter keine Unterstützung vom Sicherheitsrat bekämen.

Das syrische Staatsfernehen berichtete mit großer Genugtuung über die Sitzung des Sicherheitsrates und das chinesisch-russische Veto.

Regierungstruppen griffen am Donnerstag Hochburgen der Regimegegner im Großraum Damaskus an. Aktivisten berichteten, Kampfhubschrauber hätten die Viertel Sajjida Seinab und Al-Hadschar al-Aswad mit Maschinengewehren und Raketen attackiert. Bewohner der nördlichen Viertel, die von den Kämpfen weitgehend verschont blieben, berichteten, die Hauptstadt gleiche einer Geisterstadt. Fast alle Geschäfte seien geschlossen. Auch die Ortschaft Samalka im Umland von Damaskus geriet unter heftigen Beschuss. Weitere Kämpfe, bei denen auch die Luftwaffe eingesetzt wurde, meldeten Aktivisten unter anderem aus der Provinz Homs.

In einem Viertel der Stadt Deir as-Saur hätten die Regierungstruppen 20 Menschen getötet, hieß es. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtete, in Damaskus und den umliegenden Gebieten seien 26 Zivilisten und Oppositionskämpfer getötet worden. Insgesamt seien am Mittwoch landesweit mehr als 130 Menschen ums Leben gekommen sein.

Durch die Ausweitung der Kämpfe werden immer mehr Menschen in die Flucht getrieben. Mittlerweile haben nach Angaben von Helfern rund eine Million Syrer ihre Wohngebiete verlassen, um sich in anderen Teilen des Landes in Sicherheit zu bringen. „Das geht aus neuen Angaben des Syrischen Arabischen Halbmondes hervor, den wir bei der Versorgung der Vertriebenen unterstützen“, sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, der Deutschen Presse-Agentur in Genf.

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