Juncker: Krise kann auch Belgien und Italien treffen

Berlin/Athen (dpa) - Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat vor einer weiteren Ausweitung der Schuldenkrise auch auf Belgien und Italien gewarnt.

Die Beteiligung privater Gläubiger an weiteren Finanzhilfen für Griechenland könnte dazu führen, dass die Ratingagenturen das Land als „zahlungsunfähig“ einstufen, sagte der luxemburgische Premierminister der „Süddeutschen Zeitung“. Das könnte extreme Folgen für andere Euro-Staaten haben. „Die Pleite kann Portugal anstecken und Irland und dann wegen der hohen Schulden auch Belgien und Italien, noch vor Spanien“, warnte Juncker.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatten am Freitag in Berlin ihre Differenzen beigelegt und sich gemeinsam für eine freiwillige Beteiligung privater Gläubiger an der Rettung des von der Pleite bedrohten Eurolandes ausgesprochen. Mit der Europäischen Zentralbank (EZB) sollen nun Einzelheiten festgeschrieben werden. Merkel und Sarkozy riefen die europäischen Partner zu raschen Entscheidungen über ein neues milliardenschweres Hilfsprogramm für Griechenland auf.

Möglicherweise braucht Athen neben dem aktuellen Hilfspaket im Umfang von 110 Milliarden weitere 120 Milliarden Euro. Als Gegenleistung müsste das Land sich zu einem noch strikteren Sparprogramm verpflichten. Deutschland bürgt mindestens immer für ein Fünftel der Beträge.

„Das ist ein Durchbruch. Ich würde das einen großen Durchbruch nennen“, sagte Sarkozy nach einem Treffen mit Merkel. „Wir wünschen uns eine Beteiligung privater Gläubiger auf freiwilliger Basis. Ich sage das ausdrücklich“, sagte die Kanzlerin.

Die Euro-Finanzministern dürften an diesem Sonntag und Montag in Luxemburg erstmals über Einzelheiten reden. Am kommenden Donnerstag und Freitag kommen dann die EU-Staats- und Regierungschef in Brüssel zu einem Gipfel zusammen.

Juncker warnte auch im Interview mit dem „Luxemburger Wort“ (Samstag) vor Auswirkungen einer Beteiligung der privaten Gläubiger. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, „dass die Regierungen massiv Druck auf die Griechenland-Investoren machen und nur nach außen hin den Anschein wahren würden, es handele sich um eine freiwillige Aktion.“ Ansätze, die sich unterhalb des Risikoniveaus einer Kreditausfallsbewertung durch Ratingagenturen bewegten, müssten vorgezogen werden. „Das sehen auch Berlin und Paris so“, sagte Junker.

Auch die EZB steht eine Beteiligung privater Geldgeber skeptisch gegenüber und verlangt ebenfalls absolute Freiwilligkeit. Sollten die Ratingagenturen in dem Vorgehen einen Kreditausfall sehen, dürfte die Notenbank griechische Anleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren. Das könnte zu einem Kollaps griechischer Banken führen, die derzeit am Tropf der Notenbank hängen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht Griechenland angesichts der Schuldenkrise auf einem Weg voller Opfer und Schmerzen. „Ich denke, wir alle ... wussten, dass dies eine schmerzvolle Anpassung wird“, sagte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard am Freitag in São Paulo. „Wir wussten, das (Konsolidierungs-)Programm würde Opfer verlangen.“ Die griechische Regierung müsse nun das Parlament und das Land überzeugen, dass es praktisch keine Alternative zu der Politik gebe.

Vor dem Hintergrund anhaltender Proteste gegen den Sparkurs seiner Regierung wechselte Griechenlands Premier Georgis Papandreou am Freitag den Finanzminister aus. Das Schlüsselressort führt künftig der bisherige Verteidigungsminister Evangelos Venizelos. Er ersetzt Giorgos Papakonstantinou, der wegen seines Krisenmanagements in der Kritik war. Venizelos ist die Nummer zwei in der sozialistischen Partei Pasok hinter Papandreou. Venizelos sagte: „Ich gehe weg vom Verteidigungsministerium und ziehe in den wirklichen Krieg.“

Den Austausch des Finanzministers wertete die oppositionelle bürgerliche Partei Nea Dimokratia (ND) als „klare Niederlage“ Papandreous. Die Partei sei bei der Bewältigung der Schuldenkrise gescheitert. Deshalb forderte ND-Chef Antonis Samaras vorgezogene Parlamentswahlen.

Athen muss rasch ein Spar- und Reformprogramm im Umfang von 78 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Bis Ende 2011 müssen 6,4 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2015 dann weitere 22 Milliarden. Zusätzlich muss die Regierung versuchen, 50 Milliarden Euro durch den Verkauf von Staatsbetrieben und Immobilien zu erlösen.

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