
Tunesier nehmen in Tunis an einer Veranstaltung zum fünften Jahrestag des Aufstandes in Tunesien teil. Foto: Mohamed Messara/Archiv
dpaTunesier nehmen in Tunis an einer Veranstaltung zum fünften Jahrestag des Aufstandes in Tunesien teil. Foto: Mohamed Messara/Archiv
Tunis (dpa) - Obwohl sich die die Arabische Welt in einer fundamentalen Krise und Umbruchsituation befindet, blickt die Mehrzahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Nahen Osten und Nordafrika zuversichtlich in die Zukunft.
Trotz wirtschaftlicher Benachteiligung, fehlender politischer Beteiligung und einem allgegenwärtigen Gefühl von Unsicherheit sehen rund 65 Prozent der jungen Generation die Zukunft optimistisch, wie es in einer groß angelegten Studie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) heißt. Statt auf die Politik vertrauten immer mehr Jüngere auf traditionelle Werte wie Familie und Religion.
«Als junger Mann bin ich gezwungen, hart zu arbeiten», erzählt etwa ein 26-jähriger Palästinenser, der in der Studie Samit genannt wird. «Die Zukunft ist unklar und instabil, doch ich hoffe auf bessere Bedingungen.» Die umfassende Untersuchung widmet sich allen wichtigen Lebensbereichen der jungen Menschen in der Arabischen Welt und schaut auf Lebensbedingungen, Bildung und das soziale Umfeld. Trotz des generellen Optimisus in der Zukunft beschäftigen die jungen Menschen aber aktuell auch viele Probleme.
«Es besteht kein Zweifel, dass die Umstände, die unsere Leben heute bestimmen, härter sind als jemals zuvor», zitieren die Autoren der Studie eine 17-jährige Schülerin mit Namen Sara aus Ägypten. «Ich glaube, die früheren Generationen hatten im Vergleich zu uns ein angenehmeres Leben.» Die Zeiten seien stabiler gewesen, heute sei das Leben von instabilen Bedingungen geprägt und einem Verlust an Sicherheit, berichtet die Schülerin. Der 29-jährige Muatas aus dem Kairoer Vorort Giseh ergänzt: «Gegenwärtig hat die Jugend keine Ansprüche, denn wir finden keine Arbeit. Wie können wir also eine Familie gründen, leben, essen, trinken? Wir sind überhaupt nicht sicher.»
Im Sommer und Winter 2016/2017 wurden den Autoren zufolge knapp 9000 junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren für die Studie «Zwischen Ungewissheit und Zuversicht» befragt. Die Umfragen und Interviews wurden in acht Ländern im Nahen Osten und Nordafrika durchgeführt, darunter Marokko, Tunesien, Ägypten, Bahrain und Jemen. Nach UN-Angaben sind rund 30 Prozent der Menschen in der Arabischen Welt zwischen 15 und 29 Jahren alt. Die Studie wurde in Zusammenarbeit der FES, mehrerer Forschungszentren und Meinungsforschungsinstitute im Nahen Osten und der Universität Leipzig erstellt.
Viele der Befragten schätzen der Studie zufolge die Entwicklungen in ihren Ländern nach den Umbrüchen 2011 inzwischen negativ ein. Statt um politische Themen wie Meinungsfreiheit gehe es den meisten jungen Menschen um die Sicherung ihrer Grundbedürfnisse und um Gewaltfreiheit. Politiker werden überwiegend als unzuverlässig und korrupt angesehen. Ein junger Mann aus Marokko wird mit den Worten zitiert: «Politik in Marokko ist größtenteils eine Farce, Parteien können nichts verändern. Die Programme aller Parteien sind identisch.»
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