Neelie Kroes in der Kritik Ex-EU-Kommissarin mit Beziehung zum Steuerparadies

München (dpa) - Die frühere EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes war nach Enthüllungen der „Süddeutschen Zeitung“ während ihrer Amtszeit Direktorin einer Briefkastenfirma auf den Bahamas. Die EU-Kommission will den Vorfall untersuchen.

Neelie Kroes in der Kritik: Ex-EU-Kommissarin mit Beziehung zum Steuerparadies
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„Frau Kroes hat uns jetzt informiert und wir werden die Informationen analysieren und prüfen, bevor wir dazu Stellung nehmen“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Kroes habe gegen den Verhaltenskodex der EU-Kommission verstoßen, weil Kommissionsmitgliedern jegliche Nebentätigkeit verboten sei, meldet die Zeitung. Die Niederländerin habe auf Anfrage von einem „Versehen“ gesprochen. Ihr Anwalt sagte der Zeitung, sie übernehme die „volle Verantwortung“.

Die heute 75-Jährige war von 2004 bis 2010 EU-Kommissarin für Wettbewerb, anschließend vier Jahre lang Kommissarin für die Digitale Agenda. Im Mai holte der umstrittene Fahrdienst-Vermittler Uber aus den USA Kroes in ein neues Beratungsgremium für politische Fragen.

Von 2000 bis 2009 war Kros der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge auch Direktorin der Mint Holdings Limited auf den Bahamas. Die Zeitung beruft sich dabei auf interne Dokumente aus dem Unternehmensregister des Inselstaates, die ihr zugespielt worden seien. Diese offenbarten Details über 175 888 Briefkastenfirmen und Stiftungen, die zwischen 1990 und 2016 gegründet wurden.

Scharfe Kritik kam vom finanz- und wirtschaftspolitischen Sprecher der europäischen Grünen: „Neelie Kroes ist ein herausragendes Negativbeispiel für die Beschädigung von Vertrauen in die Politik“, sagte Sven Giegold am Donnerstag. Das Verschweigen ihrer Geschäftstätigkeiten auf den Bahamas sei eine schwere Verletzung ihrer Amtspflichten. Die Entwicklungen seien „die unrühmliche Krone“ eines von Interessenkonflikten geprägten Lebenslaufs. „Sie wechselte zwischen Politik und Wirtschaft hin und her.“

Briefkastenfirmen sind Unternehmen, die ihren Sitz häufig in Steueroasen haben und deren wahre Eigentümer nach außen meist nicht bekannt sind. Ihr Betrieb ist nicht illegal; sie können aber zum Beispiel für Steuerflucht missbraucht werden. In den Daten fänden sich die Namen weiterer hochrangiger Politiker, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

Die Bahamas-Enthüllungen sind bereits das zweite Datenleck in diesem Jahr aus der Welt der Steueroasen. Anfang April hatten Medien weltweit über Tausende in Panama gegründete Briefkastenfirmen berichtet, in denen Politiker, Prominente und Sportler ihr Vermögen geparkt haben sollen.

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