Deutscher Besuch für Timoschenko

Die beiden Europaparlamentarier der Grünen, Rebecca Harms und Werner Schulz, sprechen mit der inhaftierten Oppositionellen.

Charkow. Im deutschen Block hüpften und sangen sich die Fans am Mittwochabend in einen friedlich-fröhlichen Fußball-Rausch. So soll das sein bei einem begeisternden 2:1 gegen die Niederlande. Mario Gomez hatte gleich zwei Traumtore erzielt. Den Fans gegenüber reckten die Grünen-Politiker Werner Schulz und Rebecca Harms auf der Vip-Tribüne Plakate mit der Aufschrift „Lasst alle politischen Gefangenen frei!“ in die Höhe. Sie setzten damit ein deutliches Zeichen gegen die Unterdrückung der Opposition in der Ukraine. Ins Bild dieses grandiosen Fußball-Abends passten sie nicht. „Man darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen, das ist billig“, verteidigte Harms ihre Aktion am Donnerstag im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung.

Die beiden EU-Parlamentarier besuchten die inhaftierte ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko und sprachen zwei Stunden lang mit ihr — als erste deutsche Politiker seit der Inhaftierung. „Die Umstände der Haft im Krankenhaus sind hart. Sie ist krank und wird zugleich unerbittlich politisch verfolgt“, sagte Harms anschließend.

Schulz forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, während der EM in die Ukraine zu reisen und Präsident Viktor Janukowitsch „die Meinung zu sagen“. Merkel hat sich nach zwischenzeitlich lancierten Boykottdrohungen bislang alle Optionen für Reisen in die EM-Spielorte offengehalten.

Fußball und Politik — trifft hier aufeinander, was nicht zusammengehört? Uefa-Präsident Michel Platini, der sich immer wieder einmal mit Janukowitsch zeigt, sagt: „Wir machen keine Politik, wir machen Fußball.“ Diese Sicht der Dinge ist allerdings auch vielen Fans zu simpel. Die Gäste aus Schweden und den Niederlanden, die sich in diesen EM-Wochen in der Ukraine einquartiert haben, berichten im Gespräch unumwunden, wie „schlimm“ sie die Zustände im Land finden, „obwohl die Menschen so herzlich sind“.

Wie politisch diese Europameisterschaft ist, haben nicht zuletzt die Hooligan-Krawalle in Warschau gezeigt. Die Gewalt wuchs auf einem Boden, der mit historischer Feindschaft und politischem Streit gedüngt ist. Nicht von ungefähr erreichte das Thema sogar die höchste Staatsebene. Der russische Präsident Wladimir Putin und der polnische Premier Donald Tusk telefonierten am Mittwoch miteinander, um über die Fankrawalle zu sprechen.

Eine weitere Politisierung dürfte das Turnier erfahren, wenn Polen und Deutschland im Viertelfinale in Danzig aufeinandertreffen sollten — wo Hitler den Zweiten Weltkrieg entfesselte. Die Hooligans beider Länder gelten als ähnlich verfeindet wie die Polens und Russlands.

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