Der Erfolg des Biedermanns

Machtwechsel in Frankreich

François Hollande hat es geschafft: Der „Abgeordnete aus Corrèze“ ist neuer französischer Präsident. Siebzehn Jahre nach dem Abtritt des großen François Mitterrand schien der Elyséepalast für die Sozialisten eine uneinnehmbare Festung zu sein. Jetzt hat der Enkel das Unmögliche möglich gemacht und einen schrecklichen Fluch zerstört.

Ausgerechnet Hollande, der niemals ein Ministeramt bekleidet hat und als kläglich gescheiterter Parteichef sogar politisch erledigt schien. Was erklärt den Erfolg des lange als „Weichei“ und „Karamellpudding“ verspotteten Biedermann-Politikers? Mit Sicherheit seine Glaubwürdigkeit und Bodenhaftung. Hollande, ein gemäßigter und pro-europäischer Sozialdemokrat, besitzt die Gabe, ungekünstelt auf die Menschen zuzugehen.

Der, der das Terrain seit Jahren nahezu unbemerkt aber systematisch beackert hat, kennt die Sorgen und Nöte der Menschen. Ihm, dem „Anti-Helden“, trauen sie eher zu, das zerklüftete Land zu einigen und aufzurichten.

Hollandes persönlicher Erfolg ist aber nur die eine Seite der Medaille. In erster Linie haben die Franzosen nämlich den unbeliebten, amtierenden Staatschef klar abgewählt. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Sie wollen offenbar nichts mehr wissen von dem Mann, der ihnen vollmundig den „Bruch“ mit alten Traditionen und mehr Kaufkraft versprochen hatte. Gewiss, Nicolas Sarkozy hat es verstanden, das Land einigermaßen solide durch die schwere Finanzkrise zu steuern. Doch die Franzosen verzeihen ihm bis heute das parvenü-hafte „Bling-Bling“-Gehabe nicht, mit dem er gleich zu Beginn seiner Amtszeit so viel Porzellan zerschlagen hat.

Ob mit dem soliden, aber wenig charismatischen Hollande wirklich eine bessere Zeit anbricht, steht auf einem anderen Blatt. Auch Hollande verspricht trotz leerer Staatskasse mehr, als er einlösen kann. Auf seinen Lorbeeren wird er sich nicht lange ausruhen können.

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