BND-Kontrolleure: Sprachen kaum über BND-Spionage

Berlin (dpa) - In der Affäre um Geheimdienstspionage wollen zuständige Vertreter des Bundeskanzleramts, das die Aufsicht über den BND hat, wenig mitbekommen haben.

BND-Kontrolleure: Sprachen kaum über BND-Spionage
Foto: dpa

Das zeigte sich am Donnerstag vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Auch neue Probleme beim Informationsfluss aus dem Bundesnachrichtendienst (BND) ans Kanzleramt wurden deutlich. Die Opposition zeigte sich nach den jüngsten Zeugenaussagen empört.

Der Ausschuss setzte der Bundesregierung unterdessen einen Frist bis kommenden Donnerstag für eine Entscheidung, ob und in welcher Form sie Einblick in die umstrittene Liste der US-Ausspähziele in Europa (Selektoren) gewährt.

Der BND soll dem US-Geheimdienst NSA über Jahre geholfen haben, europäische Firmen und Politiker auszuspähen. Der deutsche Auslandsgeheimdienst informierte schon 2008 das Kanzleramt über mögliche Versuche solcher Wirtschaftsspionage. Der Ausschuss will auch herausfinden, wer im Kanzleramt was wusste. Kommende Woche soll der damalige Kanzleramtschef und heutige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) befragt werden. Der BND schöpfte Daten für die NSA an einem Datenknotenpunkt der Telekom ab.

BND-Vize Guido Müller, von 2007 bis 2013 Leiter eines für den BND zuständigen Referats im Kanzleramt, sagte: „Konkrete Operationen haben wir in Bundeskanzleramt nicht besprochen.“ Dass Telekom-Daten erfasst wurden, habe er nicht gewusst. Zudem habe er noch 2013 das Wort „Selektoren“ nicht gekannt, sagte Müller.

Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter des Kanzleramts sagte, an ihn gerichtete Briefe des BND über dessen Aktivitäten hätten ihn in der Regierungszentrale nicht erreicht. „Es gibt Fälle, dass ich Sachen an mich nicht gesehen habe, weil ich dazu nicht ermächtigt war.“ Der BND habe wohl versehentlich einzelne Briefe an ihn gerichtet, die er nicht lesen durfte, sagte der Zeuge Thomas Kurz, heute Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in Ankara.

Die Opposition zeigte sich empört. Linke-Obfrau Martina Renner sagte der Deutschen Presse-Agentur, nicht nur im BND wolle man gegenseitig nichts voneinander gewusst haben. „Die Logik des Geheimen im Geheimen setzt sich bis ins Kanzleramt fort. So kann die Kontrolle über den BND nicht funktionieren.“ Grünen-Obmann Konstantin von Notz sprach von einem Gewirr an Verstrickungen. „Die Abschirmung zieht sich bis in die Aufsichtsstrukturen durch“, sagte er der dpa.

Deutlich wurde, dass zwischen dem BND und dem Kanzleramt ein reger personeller Austausch herrscht. „Im Moment sind wohl 20 Mitarbeiter des BND im Bundeskanzleramt“, sagte BND-Vize Müller. SPD-Obmann Christian Flisek zeigte sich skeptisch, dass das Kanzleramt unter diesen Umständen die Aufsicht über den BND wirklich unabhängig ausüben kann.

In interner Beratung sei mit den Stimmen der Koalition beschlossen worden, der Regierung im Streit um die Selektorenliste eine Frist bis kommendem Donnerstag zu setzen, teilte SPD-Obmann Flisek mit. Es sei „unerträglich“, dass der zuständige Ausschuss die massiven Spionagevorwürfe nicht aufklären könne. Wenn ein Ermittlungsbeauftragter die im Kanzleramt liegende Liste mit den US-Spähzielen ansehen solle, müsse dieser vom Parlament benannt werden. So ein Beauftragter soll laut Medienberichten nun diese Aufgabe übernehmen.

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