Ausbau: Moskau wächst mit aller Macht

Die russische Hauptstadt wird 2012 gewaltig vergrößert. Viele Bürger fürchten Enteignungen.

Moskau. Russlands Machtzentrum Moskau ist riesig und platzt dennoch aus allen Nähten. Die Metropole soll deshalb um mehr als das Anderthalbfache ihrer bisherigen Größe wachsen. Im Eiltempo und zum Ärger von Regierungsgegnern unter Ausschluss der Bürger peitscht der Kreml diese historische Erweiterung durch. Im Juni hatte Präsident Dmitri Medwedew erstmals davon gesprochen, im August wurde das von Medien als „Geheimaktion Groß-Moskau“ bezeichnete Projekt öffentlich. Nun hat der russische Föderationsrat die neuen Grenzen der Megapolis mit dann mehr als 11,5 Millionen Einwohnern bestimmt.

Um 1480 Quadratkilometer auf 2530 Quadratkilometer wird Moskau zum 1. Juli 2012 wachsen. Damit dehnt sich die größte Stadt Europas mal eben fast um die Fläche von Berlin (892 Quadratkilometer) und Hamburg (755 Quadratkilometer) aus.

Geplant sind ein neues Regierungsviertel, eine Präsidentenresidenz mit repräsentativen Gebäuden für Gipfeltreffen sowie ein Finanzzentrum nach dem Vorbild von Frankfurt und London. In dem Ort Skolkowo entsteht das bereits in Ansätzen erkennbare Technologiezentrum nach dem Vorbild von Silicon Valley in den USA.

Die Initiatoren werben auch damit, dass das „neue Moskau“ 80 000 Hektar Waldfläche habe für die Naherholung. Endlich sollten auch die wegen des bisherigen Flächenmangels immer wieder verzögerten Vergnügungsparks entstehen. Von einem russischen „Disneyland“ und einem „Europapark“ ist die Rede. Wenn zum 1. Juli 2012 zwei Städte sowie 19 andere Gebietseinheiten eingemeindet werden, werden rund 250 000 Menschen über Nacht zu Moskauern.

Das bringt aus Sicht von Beobachtern jede Menge Probleme mit sich. So erwartet etwa die Stadt Troizk eine Rundumerneuerung. „Vor Moskau und seinem Umland steht eine immense Arbeit bei der Änderung von Gesetzen“, sagt Föderationsratsmitglied Stepan Kiritschuk. Die neuen Hauptstädter müssten mit neuen Papieren ausgestattet werden. Neuwahlen solle es aber nicht geben. Vielmehr werde künftig eine Sonderkommission die Interessen der neuen Moskauer vertreten.

Viele Bürger beklagen, dass die Machtführung ohne ein öffentliches Verfahren diese beispiellose Eingemeindung durchsetze. Sie befürchten Zwangsenteignungen. Kritiker warnen zudem vor dem Aus der Selbstverwaltung in den Umlandstädten und vor sonst allerhand sozialem Sprengstoff. Viele Betroffene ärgert, dass sie sich wie so oft vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Gutachten? Bürgerbeteiligung? Öffentliche Debatten? Fehlanzeige.

Das neue Moskauer Gebiet liegt in südwestlicher Richtung. Wie ein Teil der Stadt Moskau der Zukunft aussehen könnte, dafür gibt etwa die ultramoderne Moskwa City mit den gläsernen Hochhäusern unweit des Regierungssitzes einen Vorgeschmack.

Dass aber das politische Zentrum trotz der Erweiterung weiterhin im Kreml bleibt, davon gehen die meisten Experten aus. Immerhin werden in der markanten Festung seit Zarenzeiten die wichtigsten Entscheidungen des Landes getroffen. Auch künftig soll es heißen: der „Kreml sagt“, der „Kreml entscheidet“ oder der „Kreml ordnet an“.

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