Ägyptens Christen fordern Debatte über Extremismus

Kairo (dpa) - Nach den blutigen Unruhen zwischen Christen und Muslimen in Kairo fordert die koptische Kirche eine öffentliche Debatte über die Gewalt gegen Christen.

„Egal, was passiert, immer heißt es nur, die Überreste des alten Regimes seien schuld, und zwar schon bevor die Ermittlungen begonnen haben - das reicht nicht, wir brauchen eine ehrliche Auseinandersetzung, mit dem, was in unserem Land geschieht“, sagte der koptische Priester Jussif Samir im ägyptischen Staatsfernsehen.

Seit der Revolution, die im Februar zur Entmachtung von Präsident Husni Mubarak geführt habe, sei die Bewegung der radikalen Islamisten („Salafisten“) wieder erstarkt, erklärte er. Der Priester sagte: „Die Stimme, die wir nicht hören wollen, ist im Moment leider die Stimme, die auf der Straße lauter ist als alle anderen.“ Nach ihm sprach im TV-Studio ein islamischer Religionswissenschaftler, der „eine versteckte Hand und ausländische Unterstützung“ hinter der jüngsten Eskalation vermutete.

In der Nacht zum Sonntag hatten radikale Muslime eine Kirche im Kairoer Viertel Imbaba angegriffen. Sie begründeten ihre Attacke mit der Behauptung, in dem Gotteshaus werde eine Frau festgehalten, die vom Christentum zum Islam konvertiert sei. Bei der Straßenschlacht, die daraufhin entbrannte, wurden nach Angaben der Polizei zwölf Menschen getötet und 230 verletzt.

In den vergangenen zwei Monaten war es mehrfach zu Übergriffen auf Christen gekommen, obwohl jugendliche Demonstranten während der Proteste gegen Mubarak zu Beginn des Jahres mehrfach den Zusammenhalt zwischen der muslimischen Bevölkerungsmehrheit und der christlichen Minderheit betont hatten.

Die US-Botschaft in Kairo verurteilte die Attacke in Imbaba und forderte die Ägypter zur Ruhe auf. Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate erklärte: „Wir bekunden unsere Solidarität mit Ägypten und stehen bei der Bekämpfung dieser Erscheinung auf seiner Seite.“

Die ägyptische Übergangsregierung hatte am Sonntag ein hartes Durchgreifen gegen die Gewalttäter angekündigt. Die rund 190 Festgenommenen müssten sich vor einem Militärgericht verantworten.

Die Ägyptische Organisation für Menschenrechte erklärte: „Die Sicherheitsbehörden müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und sich diesem Aufruhr entgegenstellen, damit das ägyptische Volk vereint bleibt.“ Mehrere Augenzeugen hatten nach der Eskalation der Gewalt in Imbaba erklärt, die Polizei habe sich herausgehalten. Die Armee sei viel zu spät vor der St.-Mina-Kirche eingetroffen.

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