Auftakt zum Superwahljahr

Horst Köhler will Bundespräsident bleiben, SPD-Frau Gesine Schwan tritt zum zweiten Mal gegen ihn an.

Berlin. Auftakt zum Superwahljahr am Samstag in Berlin: Zur Mittagszeit tritt die Bundesversammlung zusammen und wählt den Bundespräsidenten für die kommenden fünf Jahre. Die ohnehin schon guten Chancen von Amtsinhaber Horst Köhler auf eine Wiederwahl sind am Freitag erneut gestiegen. Überraschend schloss Linken-Parteichef Lothar Bisky nicht aus, dass Köhler vom zweiten Wahlgang an auch aus seiner Fraktion Stimmen erhalten könnte. Denn sowohl Köhler als auch SPD-Herausforderin Gesine Schwan seien "mit Vorteilen versehen", so Bisky.

Ein Sieg Schwans wäre überrraschend. SPD, Grüne und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW/Vertretung der dänischen Minderheit aus Schleswig-Holstein), die Schwan unterstützen, kommen zusammen nur auf 514 Stimmen; CDU/CSU, FDP und die Freien Wähler aus Bayern erreichen dagegen 614 Stimmen. Die in den ersten beiden Wahlgängen erforderliche absolute Mehrheit liegt bei 613. Es kann also sein, dass Köhler schon im ersten Wahlgang gewählt wird. Sicher sagen kann das aber niemand. Abweichler machen Abstimmungen in Bundesversammlungen traditionell spannend. Als Köhler und Schwan 2004 schon einmal gegeneinander antraten, erhielt Schwan bis zu zehn Stimmen aus dem Lager von Union und FDP.

Spannend wird es, wenn es nach dem ersten Wahlgang keinen Sieger gibt und die Linkspartei ihren Zählkandidaten Peter Sodann zurückzieht. Mit den 90 Stimmen der Linken kämen SPD und Grüne theoretisch auf 604 Stimmen. Praktisch allerdings ist ein geschlossenes Abstimmungsverhalten von SPD-, Grünen- und Linken-Delegierten ausgeschlossen. Dazu hat Gesine Schwan zu viele Wahlleute aus dem linken Lager verärgert.

Das ist unwahrscheinlich. Zunächst tritt der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke als ihr Kandidat an. Am Ende wollen die NPD- und DVU-Vertreter angeblich für Köhler stimmen.

Früher hatten Bundespräsidenten-Wahlen "seismographischen Charakter" für die Bundespolitik. Auf die Wahl des FDP-Politikers Theodor Heuss zum ersten Präsidenten 1949 folgte die Wahl Konrad Adenauers (CDU) zum Kanzler mit Hilfe der FDP; 15 Jahre später unterstützte die SPD den Unions-Mann Heinrich Lübke, der Auftakt zur Großen Koalition; 1969 half die FDP dem SPD-Kandidaten Gustav Heinemann, es folgte die sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt. Und diesmal? Schon 2004 war die Wahl Köhlers, anders als gedacht, nicht Vorbote einer schwarz-gelben Koalition. Auch ein Sieg Schwans wäre kein verlässliches Signal. Die SPD-Spitze jedenfalls hat eine rot-rot-grüne Koalition kategorisch ausgeschlossen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnet die Versammlung um 12 Uhr. Es folgt der erste Wahlgang ohne vorherige Aussprache. Dieser kann bis zu zwei Stunden dauern. Gegen 14.30 Uhr ist dann klar, ob ein zweiter Wahlgang erforderlich ist. Nach der Wahl schließlich hält das neue Staatsoberhaupt eine kurze Ansprache.

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