Attentat/Bombay: „Da war überall Blut“

Schüsse, Schreie und Chaos: Die Betroffenen berichten von ihrer Zeit als Gefangene.

Bombay. Der Alptraum dauerte für Munir el Mahadsch anderthalb Tage. "Ich kann nicht glauben, was ich in den vergangenen 36 Stunden erlebt habe", sagte der Iraker am Freitag nach seiner Rettung aus dem Luxushotel Oberoi Trident in der indischen Wirtschaftsmetropole Bombay.

Mahadsch hatte Glück, genauso, wie rund 120 Hotelgäste des zweiten Luxushotels Taj Mahal, das Extremisten am Mittwochabend angegriffen hatten. "Als wir Schüsse hörten, verbarrikadierten wir das Restaurant und machten dort die Lichter aus. Dann brachten wir die verängstigten Gäste in die Küche und bewaffneten uns mit Messern und Hackbeilen", schilderte der südafrikanische Wachmann Faisul Nagel den Überfall im Taj Mahal.

"Die erste Stunde war ganz, ganz schlimm", berichtete der Deutsche Christian Wegmann der Süddeutschen Zeitung. Der Geschäftsmann hatte Stunden vor dem Angriff einen Termin im Luxushotel und wartete auf seinen Fahrer, der ihn zum Flughafen bringen sollte. Dann kamen die Terroristen. Von allen Seiten waren Schüsse zu hören. Die Menschen schrien, es herrschte Chaos, überall war Blut. Neben ihm fielen Frauen und Männer getroffen zu Boden.

Zur selben Zeit befand sich auch SPD-Politikerin Erika Mann im Taj-Mahal-Palace. Sie verschanzte sich mit anderen Gefangenen in der Küche. Der Bild-Zeitung sagte sie: "Wir haben erst in absolut letzter Minute realisiert, dass wir fliehen müssen.

Wir wussten: Wenn wir jetzt bleiben, ist es zu spät." Durch verschachtelte Gänge floh sie mit anderen Gefangenen aus dem Hotel. Ihr Kollege, der deutsche EU-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU), hatte Glück. Er war in einem Restaurant außerhalb des Hotels, als der Terror begann. Er ist geschockt: "Wir sind alle von dem Ausmaß der Gewalt überrascht."

Wer hinter der Aktion steht, war Freitag noch nicht geklärt. Doch den Ablauf des Angriffs konnten die Behörden rekonstruieren. Die schwer bewaffneten Angreifer wurden von einem größeren Schiff in zwei Schlauchbooten abgesetzt und näherten sich so vom Wasser aus der Finanzmetropole.

An Land teilten sich die Extremisten in Gruppen auf und griffen nacheinander einen Bahnhof und eine Frauenklinik an. Eine Gruppe zielte auf das bei Touristen beliebte Café Leopold. Doch die eigentlichen Ziele waren die beiden Luxushotels Taj Mahal und Oberoi Trident sowie der Gebäudekomplex Nariman, in dem sich unter anderem ein Jüdisches Zentrum befindet.

Auch wenn Augenzeugen die Angreifer als "Jungen" in Jeans beschrieben, ist für die indischen Sicherheitskräfte klar: "Das sind Menschen ohne Gewissensbisse. Sie feuern auf alles und jeden vor ihnen", sagte der Leiter der indischen Kommando-Einheit Marcos. Um die Hotelgäste zu schützen, konnte er mit seiner Einheit nicht so schnell gegen die Angreifer vorgehen, wie es nötig gewesen wäre.

"Du hältst nur Ausschau nach Männern, die viele Waffen bei sich tragen." Die bis an die Zähne bewaffneten Angreifer hinterließen eine tödliche Spur: "Die Leichen lagen kreuz und quer. Da war überall Blut", beschrieb der Kommandeur den Anblick, der sich ihm im Hotel bot.

Einer derjenigen, die die Angriffe nicht überlebt haben, ist der deutsche Unternehmer Ralph Burkei. Der 51-Jährige war laut Bild vor den Terroristen auf das Dach des Hotels geflüchtet. Dabei war er gestürzt und hatte sich vermutlich unter anderem die Hüfte gebrochen. Schwer verletzt blieb er dort liegen, bis die Sicherheitskräfte kamen. Für ihn kam aber jede Hilfe zu spät. Er starb an den Folgen des Sturzes.

Schon vor zwei Jahren erlebte Bombay schwere Anschläge mit vielen Toten. Doch damals richteten sich die Bomben gegen Nahverkehrzüge, in denen vor allem Inder reisten. Bei den jüngsten Anschlägen verhält es sich anders: "Die Terroristen haben die großen Wahrzeichen von Indiens Finanzhauptstadt attackiert", sagt Nikhilesh Bhattacharyya von der indischen Filiale der Rating-Agentur Moody’s. "Damit sollen die Märkte destabilisiert und Touristen abgeschreckt werden."

Denn neben Religion und Volkszugehörigkeit gilt auch das riesige Wohlstandsgefälle als Nährboden für Gewalt. Die Magnaten des Landes sind alarmiert über den Terror, der erstmals direkt auf ihren Reichtum zielt. "Das ist Indiens 11. September", sagt Vijay Mallya, der mit einer Fluglinie zum Multi-Milliardär geworden ist. "Vielleicht muss unsere Regierung beginnen, in Zukunft härter durchzugreifen."

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