Analyse: USA und Russland: Annäherung mit Skepsis

Trotz Obamas Bemühungen um eine neue Ära: Washington und Moskau bleiben Konkurrenten.

Düsseldorf. Vor zwei Wochen war US-Präsident Barack Obama in Russland und hielt einige seiner gefeierten Reden, mit denen in Abkehr von der Bush-Politik ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Washington und Moskau eingeläutet werden sollte. Vor zwei Tagen gab sein Vize Joe Biden dem "Wall Street Journal" ein Interview, das Russland als bankrottes Entwicklungsland porträtierte, auf das keine Rücksicht genommen werden müsse.

Russland sei schwach, die sinkende Geburtenrate werde seine Bedeutung schwinden lassen, und die inneren Probleme würden den Kreml zwingen, auf die US-Forderungen einzugehen. Als Beispiel wählte Biden ausgerechnet die von Obama und Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew verabredete Verlängerung des Start-Vertrages: Moskau habe zustimmen müssen, weil es die Kosten nicht mehr tragen könne.

Das klang gar nicht partnerschaftlich, und als in Moskau gefragt wurde, wer denn nun in Washington die Russland-Politik bestimme, ließ Obama Außenministerin Hillary Clinton mit einem Trostpflästerchen vor die Presse treten und erklären, Russland sei "ein großartiges Land".

Die Aufregung in Moskau hielt sich in Grenzen, denn dort wird Obama ohnehin distanziert gesehen. Der "Commander-in-Chief" (Oberkommandierende) fand sich in der Presse schon als "Commander-in-Speech" (etwa: Oberkommandierender des Geschwätzes) veralbert. Und die Widersprüche werden als das in Krimis beliebte Spiel zwischen "Good Cop" und "Bad Cop" (guter und böser Polizist) interpretiert: Egal, wer gerade dran ist, Russland bleibt der Delinquent.

Denn unmittelbar nach Obamas Moskau-Visite war Joe Biden nach Kiew und Tiflis geschickt worden, um hier die "neuen Spielregeln" zu erklären. Die Annäherung mit Moskau stelle die Sonderbeziehungen Washingtons zu seinen beiden Vorposten im postsowjetischen Raum nicht in Frage, so die Botschaft.

Ziel der USA bleibe der Ausbau ihres Einflusses in Zentralasien. Dazu aber muss die Lage in der Ukraine und Georgien erst einmal stabilisiert werden. So diente die Reise wohl auch dazu, für die beiden gescheiterten Präsidenten Juschtschenko und Saakaschwili Nachfolger zu finden, die eine fortgesetzte US-Kontrolle garantieren könnten.

Fazit: Trotz aller Gemeinsamkeiten - Waffenkontrolle, Afghanistan, Iran - wird das russisch-amerikanische Verhältnis weiter durch die geostrategische Konkurrenz bestimmt.

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