Analyse: Siedlungsbau im Osten Jerusalems löst Krise aus

Mit dem Bauprojekt torpediert Israel Friedenspläne der USA. Botschafter spricht von „größter Krise seit 35 Jahren“.

Tel Aviv. Israels Botschafter in den USA gilt als besonnener Mann. Der heftige Streit Israels mit seinem mächtigen Partner bringt Michael Oren jedoch aus der Fassung. Die Beziehungen der beiden Länder befänden sich in der "schlimmsten Krise seit 35 Jahren", warnte Oren nach Medienberichten. Die Verurteilung der Siedlungspläne in Ramat Schlomo im Osten Jerusalems durch Washington lässt in Israel die Alarmglocken schrillen. Nun reist George Mitchell, der US-Sonderbeauftragte für den Nahen Osten, nach Jerusalem. Er soll versuchen, die Lage zu entschärfen.

In Israel herrscht ein breiter Konsens darüber, dass ganz Jerusalem Hauptstadt des jüdischen Staates ist. Für viele Israelis ist schwer nachzuvollziehen, dass die internationale Gemeinschaft das ganz anders sieht und Bauprojekte im besetzten arabischen Ostteil als Hindernis für den Friedensprozess verurteilt. Streit um solche Bauvorhaben gab es immer wieder. Die jetzige Krise hat jedoch mehr Sprengkraft, weil die Bauankündigung neue Friedensgespräche torpediert und das Misstrauen der US-Regierung gegenüber der rechtsorientierten Regierung Benjamin Netanjahus offensichtlich größer ist.

Ähnlich dicke Luft zwischen Israel und den USA herrschte zuletzt 1975, als es zum Streit über Details des israelischen Rückzugs von der Sinai-Halbinsel kam. Die USA drohten damals mit einer drastischen "Neubewertung" der Beziehungen, sollten US-Friedensbemühungen an Israel scheitern. Israel gab klein bei.

Der Eklat während des Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden in der vergangenen Woche erinnert an die damalige Krise. Kurz bevor Biden und Ehefrau Jill von Regierungschef Benjamin Netanjahu zum Abendessen empfangen wurden, hatte Israels Regierung den Bau von 1600 neuen Wohnungen in Ramat Schlomo angekündigt. Aus Sicht der US-Regierung eine klare Provokation.

Am Freitagabend folgte prompt der Anruf einer verärgerten Außenministerin Hillary Clinton bei Netanjahu. Die Baupläne seien ein "zutiefst negatives Signal". Clinton habe Netanjahu zudem eine Liste weitreichender Forderungen gestellt, hieß es. Sie verlange den Stopp des Bauvorhabens und ernsthafte Konzessionen an die Palästinenserführung. Weitere Rüstungslieferungen der USA seien davon abhängig.

Lachender Dritter sind die Palästinenser. Sie nutzen die Situation, um ihre Verhandlungsposition zu verhärten: Neue Gespräche soll es nur geben, wenn das Bauvorhaben in Ramat Schlomo endgültig aufgegeben wird.

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