Analyse: Deutschland wird älter, aber kein Greisenland

Im Jahre 2060 kann sich ein 90-Jähriger wie ein 50-Jähriger fühlen, sagen Demographen.

Berlin. Deutschland in 50 Jahren: Eine Greisenrepublik? Nein, sagen Soziologen und Demographen. Das Phänomen der rasanten Alterung ist 2060 vorbei, die extreme Bevölkerungsverschiebung von Jung zu Alt beruhigt sich. Mitte des Jahrhunderts, prognostiziert der Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz, "beginnt eine neue Zeitrechnung".

Der Grund: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der um 1960 geborenen "Babyboomer" hochbetagt gestorben sind, wird es in Deutschland zwar bis zu 17 Millionen Menschen weniger geben als heute, aber das Verhältnis zwischen Jungen, Junggebliebenen und Alten wird wieder etwas ausgeglichener sein. "Wir müssen nur die nächsten 40 Jahre überstehen", so Klingholz, Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.

In Roland Emmerichs Kino-Blockbuster "2012" geht die Welt in drei Jahren unter. Seriöse Prognosen geben den Menschen trotz Nuklearbedrohung, Klimawandel und Virusepidemien ein paar Jahrzehnte mehr. Wie sieht also das Leben der Deutschen im Jahr 2060 aus?

Das Alter verschwindet. Der Zeitpunkt, an dem sich Menschen als "alt" bezeichnen, wird bereits jetzt immer weiter nach hinten verschoben. Im Jahr 2060 ist das Alter als dritte große Lebensphase abgeschafft. Erst wer tatsächlich hochbetagt und hinfällig ist, wird sich "alt" nennen. Und das kann dauern: "Ein Neunzigjähriger kann sich im Jahr 2060 fühlen wie jemand mit fünfzig. Körperlich fit, beruflich und sexuell aktiv."

Dieter Otten, Soziologe an der Uni Osnabrück, glaubt: Durch gesunde Ernährung, präventiven Lebensstil und medizinische Quantensprünge steigt die durchschnittliche Lebenserwartung auf mehr als 100 Jahre. Die nüchternen Rechner des Statistischen Bundesamts geben den Menschen, die in 50 Jahren geboren werden, zumindest im Schnitt 90 Jahre Lebenszeit.

Wer kümmert sich? Die Kehrseite der alterslosen Republik sind die Millionen Hochbetagter. Im Jahr 2060 werden immer mehr uralte Menschen die Gesellschaft vor die Frage stellen: Wer kümmert sich? Heute sind rund vier Millionen Menschen über 80 Jahre alt - Statistiker rechnen für 2060 mit rund neun Millionen und damit einem immens gestiegenen Pflegebedarf.

Bereits im Jahr 2035, wenn die "Babyboomer" in Rente gehen, wird es leer in deutschen Büros. Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter schrumpft bereits in 25 Jahren um rund zehn Millionen, bis 2060 fallen noch einmal rund fünf Millionen weg - immer vorausgesetzt, die Zuwanderungsrate bleibt konstant.

Hinzu kommt: Selbst eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre führt laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2060 gerade mal zu einem Plus von zwei Millionen Erwerbstätigen. Ein neuer Babyboom? Zuwanderung und Integration lassen sich politisch beeinflussen - die Geburtenrate dagegen bleibt die große Unbekannte.

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