Analyse: Der eine Gott – und die vielen Bilder von ihm

Analyse: Glauben Christen und Muslime an denselben Gott? Die Antwort lautet: Ja, aber . . .

Düsseldorf. "So wahr mir Gott helfe" - wie selbstverständlich hören unsere Ohren diese Eidesformel als christliches Bekenntnis. Nun hat die niedersächsische Sozial- und Integrationsministerin Aygül Özkan (CDU) die Formel als türkischstämmige Muslimin auch verwendet. Ein Grund zur Empörung?

Özkan hat ihre Entscheidung damit begründet, sich "ausdrücklich auf den einen und einzigen Gott" zu beziehen, der den drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam gemeinsam sei. Beten Christen und Muslime also zu demselben Gott?

Bei der Suche nach der Antwort begibt man sich auf vermintes Gelände, denn es geht dabei nicht nur um Glaubensfragen, sondern auch um Profilierungsversuche der Religionen und die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität.

Dabei ist eine erste Antwort vergleichsweise einfach: Wenn Christen daran glauben, dass es nur einen Gott gibt, der sich allen Menschen in Jesus Christus offenbart hat, dann können sich Muslime nicht an einen anderen Gott wenden. In ihrer Orientierungshilfe "Christen und Muslime nebeneinander vor dem einen Gott" hat die Evangelische Kirche im Rheinland (Ekir) schon 1998 formuliert: "Auch wenn Menschen und Religionen verschieden von Gott reden, schafft die Vielzahl von Gottesbildern und Religionen keine Vielzahl von Göttern."

"Mit der Unterscheidung zwischen Gott und Gottesbildern wird eine Möglichkeit aufgezeigt, ohne Einebnung der Unterschiede Wege des Verständnisses zu eröffnen", sagt Pfarrer Rafael Nikodemus, in der Ekir zuständig für den christlich-islamischen Dialog.

Denn natürlich gibt es unbestreitbare Unterschiede. Juden und Muslimen, allerdings inzwischen auch manchen Christen, ist nur schwer zu vermitteln, dass die christliche Dreieinigkeit (Vater, Sohn und Heiliger Geist) allein unterschiedliche Wirkungsformen des einen Gottes beschreibt. Den Glauben an Jesus als Gottes Sohn können Muslime ohnehin nicht teilen.

Auch das Schriftverständnis unterscheidet sich: Der Koran gilt im Islam noch mehrheitlich als das absolute Wort Gottes, zumindest im aufgeklärten Christentum herrscht dagegen weitgehende Übereinkunft, dass die Bibel eine Sammlung menschlicher Erzählungen von Gott ist, die immer der Interpretation und Einordnung in die Umstände ihrer Entstehung bedürfen.

Aber auch wenn gerade in der jüngeren Vergangenheit seitens der christlichen Konfessionen wieder das Bedürfnis zu wachsen scheint, eher Unterschiede zu benennen als Gemeinsamkeiten zu suchen: Da sich Gottes Geheimnis nach theologischem Verständnis uns Menschen nie ganz erschließt, kann auch keine Religion beanspruchen, alleiniger Verwalter göttlicher Wahrheit zu sein.

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