Analyse: Bundespräsident – der machtlose Staatschef

Das Staatsoberhaupt hat nach unserer Verfassung nur eine schwache Stellung.

Düsseldorf. "Der Bundespräsident hat nichts zu sagen, darum muss er sich mit Reden begnügen." So beschrieb einmal Roman Herzog die begrenzte Macht des Bundespräsidenten. Er muss es wissen. Schließlich bekleidete er selbst von 1994 bis 1999 dieses Amt.

Doch so ganz ohne Einfluss ist es nun auch wieder nicht. Eine weitreichende Kompetenz desjenigen, der laut Herzog nichts zu sagen hat, besteht nämlich darin, etwas anderes nicht zu tun: nämlich ein vom Gesetzgeber beschlossenes Gesetz zu unterzeichnen. Bundespräsident Horst Köhler hat auf diese Weise zweimal für Aufsehen gesorgt: einmal ging es um die Teilprivatisierung der Flugsicherung, einmal um das Verbraucherinformationsgesetz. Da war es plötzlich vorbei mit dem Präsidenten, den jeder liebhat. Eben weil er plötzlich mitmischte und nicht mehr über dem Tagesgeschäft schwebte.

Tagesgeschäft - das sind die Tätigkeiten des Bundespräsidenten, die niemandem weh tun: Das Repräsentieren, das Verleihen von Orden, Staatsbesuche, die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands, das Ernennen und Entlassen von Ministern - freilich auf Vorschlag des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin. Auch das Recht zur Begnadigung hat der Bundespräsident.

Doch selbst dieses eher unverfänglich erscheinende Gnadenrecht kann den Amtsträger plötzlich in den Mittelpunkt der politischen Diskussion rücken lassen. Horst Köhler bekam dies in Form großen politischen und medialen Drucks zu spüren, als es um die letztlich von ihm abgelehnte Begnadigung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar ging.

Von dem allgemein als Kern-Kompetenz anerkannten Wirkungsbereich des Bundespräsidenten steht indes kein Wort im Grundgesetz: dem Halten von Reden. Die Macht des Wortes - sie kann durchaus etwas bewegen. Wie etwa die historische Rede Richard von Weizsäckers vom 8.Mai 1985 zur deutschen Vergangenheit. Johannes Rau hielt eine beeindruckende Rede zur Gentechnik, Roman Herzogs Ruck-Rede ist unvergessen.

Wie ein guter Geist kann der Bundespräsident den Bürgern dabei vor allem deshalb erscheinen, weil es ihm ein Leichtes ist, über den Dingen zu stehen, sich vom Parteiengezänk durch kluge Gedanken abzuheben. Er trägt ja auch nicht die Verantwortung für die Realisierung dieser Gedanken. Herzog drückte das einmal so aus: "Da ich als Bundespräsident fast keine Entscheidungskompetenz habe, ist es nicht einmal möglich, mich zur Verantwortung zu ziehen, falls jemand Vorschläge, die ich mache, in die Tat umsetzt."

Anders sieht es nur in den seltenen Fällen aus, in denen das Handeln eben doch politisch wirkt. Neben den angesprochenen Situationen ist noch ein Fall denkbar, der schon nach der Bundestagswahl im Herbst aktuell werden könnte. Bei knappen Mehrheitsverhältnissen gibt Artikel 63 des Grundgesetzes dem Bundespräsidenten einen entscheidenden Spielraum - nämlich einen Minderheitskanzler zu ernennen oder aber den Bundestag aufzulösen. Da hätte der Herrscher oder die Herrscherin ohne Macht doch plötzlich eine der seltenen mächtigen Stunden.

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