Analyse: Bei der Bahn ist schon wieder von Streik die Rede

Der Konzern will nur ein Prozent mehr Gehalt zahlen. Eine Gewerkschaft fordert zehn Prozent.

Düsseldorf. Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass der erbittert geführte Tarifstreit bei der Bahn beigelegt wurde. Gegen den durch Streiks und die aufgebrachte Öffentlichkeit zermürbten Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte der mittlerweile in den Ruhestand getretene Manfred Schell für die Lokführer-Gewerkschaft GDL satte elf Prozent Lohnsteigerung durchgesetzt. Und nun droht der nächste Tarifkonflikt. Auch das Wort Warnstreiks fällt schon wieder. Transnet-Chef Alexander Kirchner sagt, dass "wir womöglich noch in diesem Monat zu Warnstreiks aufrufen" - wenn die Bahn ihr Angebot bis zur nächsten Gesprächsrunde am 22. Januar nicht nachbessere.

Das Angebot, das die Deutsche Bahn am Mittwoch den drei Gewerkschaften machte, wird von diesen "als Provokation" (GDBA-Chef Klaus-Dieter Hummel) gesehen. Die Bahn will für die Jahre 2009 und 2010 einen Inflationsausgleich zahlen. Im Kern sollen die Entgelte um ein Prozent angehoben werden. Je nach Geschäftsergebnis sollen Einmalbeträge von 200 Euro fließen. "Das Angebot ist ein Scherz", sagt auch der neue Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky. Während die für die rund 20000 Lokführer zuständige GDL ein Plus von 6,5 Prozent fordert, will die Tarifgemeinschaft von Transnet und GDBA (Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamter), zuständig für 130000 Mitarbeiter, sogar zehn Prozent Lohnzuwachs.

Transnet-Chef Kirchner hält das auch in Zeiten der Wirtschaftskrise für gerechtfertigt. "Man darf diese Forderung nicht im Verhältnis zur Situation in anderen Wirtschaftszweigen sehen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die Bahn habe 2008 ein sehr gutes Ergebnis gemacht und sie sei auch nicht so sehr von der Krise getroffen wie andere Unternehmen. Es könne nicht sein, dass die Beschäftigten am Ergebnis nicht teilhaben sollten. Auch betont Kirchner, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten immer weiter verschlechtert hätten. "Da geht es um Dienstbeginn und -ende mitten in der Nacht, die Häufigkeit von Schichten, um kurzfristige Dienständerungen." Viele Kollegen hätten kaum noch wirklich freie Wochenenden.

Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzt den Gewerkschaftern dieses Mal jemand gegenüber, der eigentlich großes Verständnis für ihre Anliegen haben müsste: Der langjährige Transnet-Chef Norbert Hansen, der sich jetzt in seiner neuen Funktion als Personalvorstand der Bahn bewähren will (siehe Porträt auf dieser Seite).

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