Am "Idiotentest" wird nur leicht gerüttelt

Goslar (dpa). Der umstrittene "Idiotentest" für Alkohol- undSeriensünder im Straßenverkehr bleibt bestehen. Allerdings soll diemedizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) nach Vorstellung des48.

Deutschen Verkehrsgerichtstages reformiert und regelmäßigüberprüft werden. Zum Abschluss des Kongresses empfahlen die Expertenam Freitag in Goslar, Betroffene in einer Schulung auf die MPUvorzubereite. Die bisherige Regelung sieht eine Nachschulung erstnach Scheitern der Untersuchung vor. Jedes Jahr müssen in Deutschlandrund 100 000 Menschen zum "Idiotentest".

Zwei Tage lang hatten rund 1800 Experten aus Justiz, Wissenschaft,Politik sowie Automobil- und Versicherungsverbänden aktuelle Themenzum Straßenverkehr und Verkehrsrecht diskutiert. Sie empfahlen demGesetzgeber eine abgeschwächte Form der Halterhaftung, die Stärkungder Fahrgastrechte bei Verspätungen und weitere Maßnahmen, um dasUnfallrisiko junger Autofahrer zu senken.

So sollen junge Fahrer finanzielle Anreize für den Kauf von Autosmit moderner Sicherheitstechnik bekommen. Schließlich sei dieseGruppe oft mit Fahrzeugen unterwegs, die erhebliche Sicherheitsmängelaufweisen. Mit Hilfe unterstützender Systeme wie elektronischerStabilitätskontrolle oder automatischer Abstandshaltung lasse sichdie Zahl der Unfälle mit Toten und Verletzten unter den 18 bis 24Jahre alten Fahrern deutlich verringern. Allein 2008 sind inDeutschland fast 900 Fahrer dieser Altersgruppe ums Leben gekommen.Ausdrücklich lobten die Verkehrsexperten das begleitete Fahren fürAnfänger. Dies habe sich bewährt und sollte gesetzlich verankertwerden.

Zur Kasse müssen nach Ansicht der Experten demnächst Haltergebeten werden, wenn sie bei Verstößen mit ihrem Wagen nicht selbsthinter dem Steuer gesessen haben. Angesichts der großen Zahl nichtgeklärter Verkehrssünden solle den Haltern zumindest ein Teil derKosten für erfolglose Ermittlungen auferlegt werden, wenn sie denFahrer nicht benennen. Diesen Haltern sollen Behörden verstärkt dasFühren von Fahrtenbüchern auferlegen. Eine grundlegende Halterhaftungsei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich.

Gute Nachrichten hatten die Verkehrsexperten für Reisende im Land-und Luftverkehr. Der Verkehrsgerichtstag empfahl dem Gesetzgeber eineSchlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr einzurichten,um Streitereien zwischen Fahrgästen und Verkehrsunternehmen zuklären. Außerdem könnten so die sachlich nicht gerechtfertigtenUnterschiede insbesondere bei der pauschalen Entschädigung fürVerspätungen beseitigt werden.

Zu Beginn des Verkehrsgerichtstages hatte dessen Präsident KayNehm gefordert, den Schilderwald auf Deutschlands Straßen schnell unddrastisch zu lichten. Die mehr als 20 Millionen Schilderüberforderten die Autofahrer und drohten zu einer Verkehrsbehinderungauszuarten, sagte der ehemalige Generalbundesanwalt.

Nehm zeigte sich zudem überzeugt davon, dass an einer Pkw-Maut"langfristig kein Weg vorbei" führe. Deutschland sei ein Transitlandmit Straßen voller ausländischer Fahrzeuge. Es sei nicht hinnehmbar,dass deutsche Autofahrer etwa in Österreich und Frankreich zahlenmüssten, Fahrer aus diesen Ländern in Deutschland aber kostenlosunterwegs sein. Parallel zur Maut sollte dann allerdings dieKfz-Steuer sinken.

Im Kampf gegen die hohe Zahl von Verkehrstoten in der EU forderteder 48. Verkehrsgerichtstag neue Sicherheitssysteme vorzuschreiben.Die Experten schlugen ABS für Motorräder sowie Notbremsassistentenund Systeme vor, die Autofahrer warnen, wenn sie aus der Spurgeraten. Ferner sollten Gurtstraffsysteme für alle Sitze verbindlichwerden. Die Experten regten den freiwilligen Einbau vonTempo-Warnsystemen und sogenannten Alkolock-Mechanismen an, die denStart von Fahrzeugen durch betrunkene Fahrer verhindern. Der Vertriebvon Radarwarngeräten soll dagegen verboten werden.

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