Afrikas Elend treibt Flüchtlinge nach Europa

Neue Krisen und Kämpfe treibt Hunderttausende auch in diesem Jahr wieder in die Flucht.

Kapstadt. Es war ein ungleicher Kampf an der Nahtstelle zwischen Spanien und Afrika. In der Nacht hatten sich 1000 afrikanische, unbewaffnete Flüchtlinge eingefunden. Sie wollten an einem scheinbar weniger bewachten Grenzabschnitt den sechs Meter hohen Zaun überqueren. Der Weg zur spanischen Enklave Melilla in Marokko wäre frei gewesen. Aber die Afrikaner waren chancenlos gegen mehr als hundert spanische und marokkanische Sicherheitskräfte. Nun wollen die Spanier die Grenze weiter befestigen. Denn in Marokko harren Zehntausende Afrikaner aus. Alle haben einen Traum: ins reiche Europa zu kommen. Für diese Sehnsucht zahlen viele mit dem Leben.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat im vergangenen Jahr 707 tote Flüchtlinge im Mittelmeerraum registriert. Am spektakulärsten war das Drama vor der italienischen Insel Lampedusa, als Anfang Oktober 366 Menschen beim Kentern eines überladenen Flüchtlingsschiffs ertranken. „Flüchtlinge riskieren auf dem Weg Folter, Vergewaltigung, Verhaftung und natürlich ihr Leben“, sagt IOM-Direktor Ashraf El Nour.

In Somalia und Eritrea, in den Flüchtlingslagern Äthiopiens, Kenias oder Ugandas, aber auch in den Slums der Millionenstädte agieren skrupellose Schlepper. Die EU-Grenzagentur Frontex registrierte 2013 einen deutlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen gegenüber den Vorjahren. In Afrika gibt es derzeit 3,9 Millionen registrierte Flüchtlinge — die wirkliche Zahl liegt weit höher. Um Regimen und Bürgerkriegen zu entkommen, fliehen jährlich Hunderttausende.

Die Schlepper fordern von Familien bis zu 10 900 Euro für die illegale Reise. Fluchtwillige wenden immer neue Tricks an: Auf dem Flughafen von Aden wurden 30 Somalier mit gültigen EU-Pässen festgenommen. Die Dokumente stammten von Asylanten aus Deutschland oder Dänemark, die die Papiere an Verwandte geschickt hatten. Die Hoffnung war, dass die Grenzer sich täuschen lassen würden.

Wenn Europa den Flüchtlingsstrom eindämmen wolle, müsse der Druck auf korrupte Regierungen Afrikas erhöht werden, meint der frühere deutsche Botschafter Volker Seitz. Zentrale Bedeutung komme einer gezielten Politik gegen das enorme Bevölkerungswachstum zu. Seitz: „Niemand kann heute sagen, wie der Kontinent mit seinen derzeit 1,2 Milliarden Menschen im Jahre 2050 doppelt so viele Menschen ernähren will.“

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