Afghanistan: Luftangriff befeuert den Wahlkampf

Altkanzler Schröder fordert Bundeswehr-Rückzug bis 2015.

Berlin. Die Situation ist mehr als ungemütlich. Von allen Seiten muss sich Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) harsche Kritik anhören.

Hat die Bundeswehr vorschnell gehandelt, als sie den Befehl zur Bombardierung der von den Taliban gekaperten Tankwagen gab? Hat man den Tod von Zivilisten in Kauf genommen?

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner kritisiert die Attacke als "großen Fehler", die EU spricht von einer "Tragödie". Und in Berlin wird eine zögerliche Informationspolitik der Regierung kritisiert.

Die Grünen fordern eine Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Linke eine Aktuelle Stunde am Montag im Bundestag.

Verlässliche Informationen gibt es noch nicht. "Es muss zunächst alles minutiös ausgewertet werden", hieß es am Montag beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam. Jung betont, er habe kein Verständnis für jene, die ohne Kenntnis der Sachlage schon jetzt Kritik an dem militärischen Vorgehen üben. Er bemüht sich um Schadensbegrenzung - aber der Druck ist hoch, es werden schnelle Antworten verlangt.

Es ist das erste Mal in Afghanistan, dass deutsche Soldaten für einen Einsatz mit einer derart hohen Opferzahl verantwortlich sind. Ungewöhnlich offensiv betont Jung wohl auch deshalb: Nach bisherigen Erkenntnissen seien "ausschließlich terroristische Taliban getötet worden".

Drei Wochen vor der Bundestagswahl könnte der verheerende Angriff den Wahlkampf befeuern - umso mehr, wenn es zivile Opfer gegeben hätte. Jung weiß: Der Afghanistan-Einsatz ist in der Bevölkerung unbeliebt, die Rufe nach einer Rückzugsstrategie sind unüberhörbar.

Doch er sorgt sich vor allem um die Sicherheit der Soldaten am Hindukusch. Denn die Taliban wissen: Mit einem großen Anschlag kurz vor einer Wahl könnten sie die deutsche Innenpolitik beeinflussen. Schließlich zogen sich die Spanier nach den Anschlägen 2004 in Madrid aus dem Irak zurück.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach sich für ein festes Datum für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aus. 2015 müsse Schluss sein, sagte der Altkanzler. Nach seiner Kritik am Wirtschaftsminister ("der Baron aus Bayern") ist es sein zweiter Versuch, den SPD-Wahlkampf seines Freundes Frank-Walter Steinmeier zu befeuern.

Dieser hatte sich mit der Forderung nach einem Zeitplan für den Abzug der deutschen Soldaten behutsam aus der Deckung gewagt. Merkel stimmte zu. Die Forderung war unverbindlich und unbestimmt.

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