Bundestagswahl AfD feiert Wahlkampfauftakt in Münster unter falscher Flagge

Überraschung für einen Hoteldirektor: Die private Konferenzraum-Buchung „Meuthen“ erweist sich als erste Pressekonferenz der AfD zum Auftakt des Bundestagswahlkampfs in NRW.

Bundestagswahl: AfD feiert Wahlkampfauftakt in Münster unter falscher Flagge
Foto: Ulli Tückmantel

Münster. Auf dem Gang zu den hinteren Konferenzräumen des Mövenpick-Hotels hat sich ein kleiner Medienstau gebildet. Bernhard Zündel blickt irritiert in die Runde, dreht wieder ab, kehrt nach einigen Augenblicken zurück und fragt einfach mal, worauf diese Pressemenschen hier eigentlich warten. Auf die AfD? Sollte er nicht wissen, an wen er seine Räume vermietet — als Hoteldirektor? „Das war eine private Buchung“, sagt Zündel wenig erfreut, und für eine Pressekonferenz sei der Raum auch viel zu klein.

Bundestagswahl: AfD feiert Wahlkampfauftakt in Münster unter falscher Flagge
Foto: Tückmantel

Vor dem Hotel am Kardinalvon-Galen-Ring hat sich derweil ein knappes Dutzend Demonstranten eingefunden und steht mit aufweichenden Plakaten im westfälischen Nieselregen. Räume für die AfD zu finden, sei inzwischen ein echtes Problem, räumt der NRW-Spitzenkandidat der AfD, Martin Renner, ein. Deshalb der Trick mit der Privatbuchung? Davon wisse er nichts, sagt Renner. „Professor Meuthen ist ja bundesweit bekannt“, wirft Cornelia Meyer zur Heide vom Münsteraner AfD-Vorstand ein, und man ahnt, wie der Buchungsvorgang von statten ging.

Bundestagswahl: AfD feiert Wahlkampfauftakt in Münster unter falscher Flagge
Foto: Ulli Tückmantel

In Düsseldorf liegt die AfD noch immer im juristischen Streit um eine Buchung für den Henkel-Saal; ein Ergebnis kenne er noch nicht, sagt Renner, „aber auch das werden wir meistern“. Auf ähnliche Probleme stößt die AfD fast überall. Insgesamt zwölf Großveranstaltungen will sie in acht „Schwerpunkt-Regionen“ in NRW bis zur Bundestagswahl noch durchführen. Für den Kölner Raum wird sie laut Renner nach Bergisch-Gladbach ausweichen. Nach dem Landtagswahlkampf sei in der NRW-AfD eine „kurzfristige Müdigkeit“ eingetreten, die sei aber jetzt überwunden.

 AfD-Chef Meuthen (r) mit NRW-Spitzenkandidat Renner in Münster.

AfD-Chef Meuthen (r) mit NRW-Spitzenkandidat Renner in Münster.

Da könnte man eine Spitze gegen Marcus Pretzell, seinen innerparteilichen Intimfeind und Co-Vorsitzenden im Landesverband, heraushören. Für die mitschreibenden Journalisten betont Renner gern noch einmal, dass die AfD „systemgenetisch rechts“ stehen müsse. Man bekämpfe aber Extremismus. Und das Verhältnis zu Pretzell? „Wir knutschen jeden Tag. Und ich frage dann: Marcus, wollen wir zweimal knutschen?“ AfD-Bundeschef Jörg Meuthen runzelt die Stirn: Renner wisse schon, dass das morgen so in den Zeitungen stehe, oder?

Renner ist in Kandidatenlaune. In NRW habe die AfD inzwischen einen Aufnahmestau von rund 600 Leuten. Wegen des Staus will Meuthen jetzt die Strukturen prüfen, bundesweit liege man inzwischen bei 28.000 Mitgliedern. Und was das angepeilte Ergebnis bei der Wahl angeht, gibt der Bundesvorsitzende sich ebenfalls völlig gelassen: „Ich neige weder zur Panik noch zur Euphorie. Irgendwo zwischen sieben und 14 Prozent werden wir liegen.“ Sieben Prozent sei der Wähler-Sockel, auf den die AfD fest zählen könne, 14 Prozent ihr Potenzial.

Draußen haben die Gegendemonstranten inzwischen wieder eingepackt, die eigentliche Auftaktveranstaltung zum Wahlkampf in NRW findet mehrere Kilometer weiter in der Stadthalle Hiltrup statt. Dort lässt der Veranstaltungsbeginn um 19 Uhr immer noch auf sich warten. Gefühlt stehen vor der Halle mehr Menschen als Gegendemonstranten, als in der Halle Platz genommen haben. Etwa 250 zu 150 ist das Verhältnis. Was wird den Wahlkampf der AfD bestimmen? „Die illegale Zuwanderung, die als Flüchtlingsproblematik dargestellt wird“, sagt Renner.

Auch Meuthen spricht wieder von illegaler Zuwanderung, wie (fälschlicherweise) jüngst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Gab das EUGH-Urteil nicht ausdrücklich Bundeskanzlerin Angela Merkel Recht? Das könne man so oder anders lesen, eine Pressekonferenz sei auch nicht der Rahmen, jedenfall sei für ihn ohnehin deutsches Recht entscheidender als der EUGH. Da ist er mit Renner einer Meinung.

Und für diese Meinung verlangt die AfD „Fairness“. Oder was die AfD darunter versteht: „Wir sind völlig offen für Kritik“, behauptet Jörg Meuthen, „wir finden, dass auch wir Gehör finden sollten.“ Martin Renner ist sich sicher, dass der AfD das demnächst auch im Bundestag gelingt, in den die Rechtspopulisten nach ihrem 15. Wahlkampf einziehen wollen. „Und dann“, sagt Martin Renner, „brechen Räume auf.“

Bei der Auftaktveranstaltung in Stadthalle Hiltrup erklärte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, die Flüchtlingskrise sei keineswegs beendet. Es kämen in großer Zahl „Schatz- statt Schutzsuchende“, und die Zahlen stiegen weiter. Ziel der AfD sei, die drittstärkste Kraft im künftigen Bundestag zu werden. Die AfD sei eine „werdende Volkspartei“, vor der die anderen Angst hätten. Meuthen beschäftigte sich in großen Teilen seiner Rede mit den Gegnern der Partei, zu denen er auch Teile der Medien zählte.

Die öffentlich-rechtlichen Sender bezeichnete Meuthen als „Agentur für betreutes Denken“ und kündigte Klagen gegen ARD und ZDF an, falls die AfD nach der Bundestagswahl weiter bei der Teilnahme an Diskussionssendungen gegenüber anderen Parteien benachteiligt werde. Den Kirchen warf Meuthen Dialogverweigerung gegenüber seiner Partei vor: "Da liegt der Verdacht vor, dass sie zu gut an den vermeintlichen Flüchtlingen verdienen."

Der NRW-Spitzenkandidat der AfD, Martin Renner, beschrieb Deutschland als Opfer einer „Beutegemeinschaft“, die das Geld in die Taschen von Großkonzernen und „gierigen Politikern“ lenke. Renner wetterte gegen „Diesel-Gaga und Gender-Scheiß“ und erklärte den Bundestagswahlkampf zum „Kampf um das Überleben unserer Nation“. Jahrzehntelang habe man eine „kultur-marxistische Gehirnwäsche“ über sich ergehen lassen. Nun gehe es darum, den „68ern und ihren Schülern endlich die Zügel aus der Hand reißen“. Die AfD werde Deutschland „wieder aufhelfen“.

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