Ägyptens Muslimbrüder immer stärker isoliert

Kairo (dpa) - Die massiven Proteste gegen seinen autoritären Führungsstil bringen Ägyptens islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi immer stärker in Bedrängnis.

Der Streik der Richter weitete sich am Montag weiter aus. Die teils gewaltsamen Proteste gegen die Machtausweitung Mursis forderten ein erstes Todesopfer. Bei einem Treffen mit Mitgliedern des Obersten Richterrates hielt Mursi an seiner umstrittenen Verfassungserklärung fest. Das sagte sein Sprecher, Jassir Ali, am späten Montagabend auf Nachfragen von Journalisten. Ali erklärte weiter, Mursi habe den Richtern erklärt, er respektiere die Unabhängigkeit der Justiz. Die von ihm verkündeten Dekrete beträfen nur Fragen der „Souveränität“.

Aktivisten und Gegner des islamistischen Staatschefs kommentierten nach der Pressekonferenz von Mursis Sprecher: „Nichts Neues, wir werden morgen wie geplant gegen die Verfassungserklärung demonstrieren.“ Um gewaltsame Zusammenstöße zu vermeiden, sagten die ägyptischen Islamisten ihre ebenfalls für diesen Dienstag geplanten landesweiten Kundgebungen ab. Das meldeten mehrere ägyptische Medien am Abend. Nach ihren Angaben erklärten die Muslimbrüder und die radikal-islamischen Salafisten, sie hätten ihre Solidaritätskundgebung für Präsident Mursi verschoben, „um Blutvergießen zu verhindern“.

Mehrere Gruppen aus dem liberalen und linken Spektrum hatten schon zuvor für Dienstag zu Protesten gegen die von Mursi in der Vorwoche verkündete Verfassungserklärung aufgerufen. Sie werfen ihm vor, er untergrabe die Unabhängigkeit der Justiz und führe sich auf wie ein Diktator.

Obwohl Mursi erklärt hatte, seine Entscheidungen dürften von der Justiz nicht in Zweifel gezogen werden, teilte das Verwaltungsgericht laut „Al-Shorouk“ mit, es wolle in einer Sitzung am 4. Dezember darüber entscheiden, ob die Verfassungserklärung aus juristischen Gründen aufgehoben werden müsse.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgt den Machtwillen des ägyptischen Präsidenten mit Sorge. Die Bundesregierung erinnerte ihn daran, dass die Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und Justiz zu den Grundsätzen jeder demokratischen Verfassung gehöre. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: „Es ist ganz wichtig, dass der Prozess der Demokratisierung nicht abgebrochen wird - und auch nicht unterbrochen.“

Das Nachrichtenportal „Al-Nahar.Egypt“ will aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, dass US-Präsident Barack Obama Mursi dazu aufgefordert haben soll, von seinem konfrontativen Kurs abzulassen.

Ein Parteifunktionär der Islamisten sprach gegenüber der ägyptischen Zeitung „Al-Shorouk“ von einer Verschwörung der Richter und Journalisten mit dem Ziel, Mursi zu stürzen. Aus Solidarität mit Mursi waren am Sonntagabend in mehreren ägyptischen Städten Tausende Islamisten auf die Straße gegangen. Am Montag versammelten sich Studenten der islamischen Azhar-Universität zu einem Solidaritätsmarsch für Mursi. Zugleich demonstrierten auf dem Tahrir-Platz in Kairo erneut Tausende von Gegnern der Islamisten.

In der Nacht zum Montag wurde bei einem Angriff auf ein Büro der Partei der Muslimbrüder in der Provinzstadt Damanhur ein 15 Jahre alter Islamist getötet. Am Sonntag war es in Kairo und der Provinz Al-Baheira zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und Gegnern Mursis gekommen.

Seit Beginn der Proteste in der vergangenen Woche sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums mehr 444 Menschen verletzt worden. Die Revolutionsbewegung 6. April trug am Montagnachmittag in Kairo einen „Märtyrer“ zu Grabe. Der junge Mann war - noch vor Mursis Verfassungserklärung - am vergangen Dienstag bei Zusammenstößen mit der Polizei schwer verletzt worden und Sonntagabend gestorben.

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