„Ausschließeritis“ führt zur Großen Koalition

Weil die Parteien vor der Wahl viele Bündnisse ausschließen, bleibt kaum eine Alternative.

Berlin. Ein neues Wort macht in Berlin die Runde: die "Ausschließeritis". Eigentlich wollen FDP und Grüne nach der Bundestagswahl am 27. September das Zünglein an der Waage spielen. Doch nach Meinung von Beobachtern ebnen sie gerade unfreiwillig eher den Weg für eine Neuauflage der Großen Koalition.

Die Grünen schließen eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP aus, die FDP wiederum wird am Wochenende beim Parteitag in Hannover ihren Widerwillen gegen eine Ampel mit SPD und Grünen unterstreichen. Die Liberalen setzen alles auf Schwarz-Gelb, doch die nötige Mehrheit bröckelt seit Wochen in den Umfragen. Trotz Fünf-Parteien-Parlaments können sich die Parteien mit Dreierkoalitionen immer noch nicht recht anfreunden.

"Kreisverkehr statt Ampelkoalition", beschreibt das "Handelsblatt" das Problem, dass kaum neue Bündnisse versucht werden. Es wurde nach 2005 erwartet, dass Bewegung in die Parteienlandschaft kommen werde.

Doch wie sieht die Realität aus? In Hessen scheitert der rot-rot-grüne Versuch dramatisch, dort führt die "Ausschließeritis" (Nein der SPD zur Großen Koalition, Nein der FDP zur Ampel, Nein der Grünen zu Jamaika) zu Verdruss über die Politik und Neuwahlen. Nur Hamburg wagt mit Schwarz-Grün etwas Neues. Nach einem Jahr fällt die Bilanz nicht schlecht aus, viele Grüne fühlen sich von der CDU um Ole von Beust besser behandelt als in früheren Koalitionen von der SPD.

Doch Dreier-Bündnisse mit FDP und/oder Grünen sind auf Bundes- wie Länderebene derzeit nicht in Sicht. Ein Vergleich der Parteiprogramme zeigt, dass es zwischen Grünen und Liberalen bezeichnenderweise die größten Schnittmengen beim Datenschutz gibt - in Zeiten der größten Krise seit 80 Jahren wohl etwas wenig.

Gerade für die FDP ist die Dreier-Koalition ein Trauma, weshalb man sich schwer tut, diese Variante auch nur ins Auge zu fassen: In den 90ern endeten die Ampeln in Bremen (1991-1995) und Brandenburg (1990-1994) vorzeitig. Beide Male verpasste die FDP nicht nur eine erneute Beteiligung in der Regierung, sondern auch den Wiedereinzug in die Landtage.

Da wundert es nicht, dass die Europa-Spitzenkandidatin der FDP, Silvana Koch-Mehrin, die Ampel ausschließt: "Eher wird Finanzminister Peer Steinbrück Botschafter in der Schweiz, als dass die FDP mit der SPD gemeinsam regiert."

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