120 Millionen für frühere Heimkinder

Die Entschädigung soll zum Teil in einen Rentenfonds fließen und zum Teil für die Behandlung von Traumata genutzt werden.

Berlin. Sie galten als „schwer erziehbar“, waren früh mit der Polizei in Konflikt geraten — oder als „Kinder der Sünde“ ihren ledigen Müttern weggenommen worden. Rund 800 000 Kinder wurden zwischen 1949 bis 1975 in Westdeutschland in Erziehungsheime eingewiesen. Viele erlebten dort eine Jugend mit Zwangsarbeit und Schikanen. Einige sind daran zerbrochen, manches Trauma wirkt heute noch nach. Sie alle können nun von einem Entschädigungsfonds profitieren.

120 Million Euro sollen fließen, darauf einigte sich jetzt der Runde Tisch Heimerziehung — 100 Millionen Euro stehen für Folgeschäden der Heimerziehung bereit, 20 Millionen Euro für einen Rentenausgleichsfonds.

Die frühere Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) hatte vor zwei Jahren den Auftrag übernommen, zusammen mit einem Runden Tisch dieses dunkle Kapitel deutscher Nachkriegspädagogik aufzuklären. Sie war sich bewusst, wie schwer es sein würde, die Forderungen der Opfer in Einklang mit den Interessen von Bund, Ländern und kirchlichen Stellen zu bringen.

Ein Großteil der Heime wurde von Kirchen organisiert. „Die alte Mönchsregel „Bete und Arbeite“ erlebte eine perverse Renaissance in diesen konfessionellen Erziehungsheimen“, schreibt Autor Peter Wensierski. Mit seinem Buch „Schläge im Namen des Herren“ hatte er 2006 die Diskussion ins Rollen gebracht.

Es galt als Wunder, dass die 22 Mitglieder — darunter sechs von Opferverbänden — am Freitag vergangener Woche zu einer einstimmigen Abschlusserklärung fanden. Dass diese Gemeinsamkeit nicht lange halten würde, war zu erwarten. Schließlich geht es nicht nur um die Anerkennung von Unrecht und Entschuldigungen für zugefügtes Leid. Es geht auch um viel Geld.

Im Vordergrund stehen dabei die Rentenansprüche für jahrelanges Torfstechen, Schuften in Küchen und Großwäschereien oder Hilfsarbeiten in Werkstätten. Erst von 1972 an führten die Heimträger für die Arbeitsdienste der 14- bis 21-Jährigen Sozialabgaben ab. Nur in seltenen Fällen gab es eine reguläre Berufsausbildung.

20 Millionen Euro sollen nach dem Willen des Runden Tisches in den Rentenfonds fließen, aus dem die Betroffenen auf Antrag Einmalzahlungen erhalten können. Doch die Betroffenen wollen eine Opferrente von 300 Euro monatlich — oder eine Einmalzahlung von 54 000 Euro, „weil viele von uns so alt sind und von einer Opferrente kaum noch etwas haben“, sagte die Vorsitzende des Vereins ehemaliger Heimkinder, Monika Tschapek-Güntner.

Die übrigen 100 Millionen Euro sollen für Einzelfallhilfe und für die Behandlung von Traumata ausgegeben werden.

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