Zugunglück im belgischen Halle: „Als wenn die Erde bebt“

Mindestens 18 Menschen starben beim Zugunglück. Ein Lokführer hatte ein Signal übersehen.

Halle/Brüssel. Die beiden Regionalbahnen haben sich ineinander verkeilt und sehen aus, als ließen sie sich nicht mehr trennen. Zwei Waggons sind im 45-Grad-Winkel aufgetürmt, darunter ist ein weiterer eingeklemmt. Überall liegen Metallteile herum, einige Waggons sind entgleist und haben die Oberleitung abgerissen. An einem Zug brennt noch das Rücklicht.

Aus den Trümmern der beiden vollbesetzten Züge, die am Montagmorgen im belgischen Halle bei Brüssel im Berufsverkehr zusammenstießen, bergen die Retter nach Angaben der Staatsanwaltschaft mindestens 18 Tote. Die Zahl der Opfer könnte steigen, weil noch Menschen eingekeilt in den Waggons vermutet werden. Schnell ist die Unglücksursache klar: menschliches Versagen. Der Lokführer des aus Löwen kommenden Regionalzugs hatte ein Stoppsignal übersehen. Womöglich spielte auch das Wetter eine Rolle: Am frühen Morgen hatte es in Belgien so heftig geschneit, dass die Sicht stark eingeschränkt war.

Nach dem schwersten Zugunglück Belgiens seit Jahrzehnten steht das Land unter Schock. "Es war, als wenn die Erde bebt", sagt der 21-jährige Augenzeuge Wire Leire. Er wohnt nur rund 50 Meter von den Bahngleisen entfernt. "Der laute Knall hat mich geweckt." Das Unglück hatte sich gegen 8.30 Uhr ereignet, die Menschen waren auf dem Weg zur Arbeit in die Hauptstadt, und die beiden Pendlerzüge waren mit bis zu 300 Fahrgästen sehr voll, als sie plötzlich frontal ineinander rasten.

Anwohner kamen aus den kleinen Reihenhäusern gleich neben dem Bahngleis gelaufen und versuchten zu helfen. Viele Opfer befreiten sich aus eigener Kraft aus den Zügen, zerschlugen die Fenster und kletterten aus den Waggons. Blutüberströmte Menschen mit Kopfverletzungen und Schnittwunden irrten im Schneegestöber und bei Minusgraden über die Gleise. Polizei und Feuerwehr waren nach wenigen Minuten vor Ort. Doch vielen Fahrgästen konnten sie nicht mehr helfen.

Das Unglück dürfte eine neue Debatte über die Sicherheit des belgischen Bahnverkehrs auslösen. Verspätungen und überfüllte Züge sind ebenso an der Tagesordnung wie Pannen und technische Defekte. Zuletzt starb eine 26-jährige Zugbegleiterin, als im November 2009 in Mons ein Zug entgleiste. Der Lokomotivführer wurde schwer verletzt. Die Gewerkschaften werfen der Bahngesellschaft SNCB eine schlechte Ausbildung der Lokführer vor, die zu viele Überstunden leisten müssten.

Der Zusammenstoß ist das schwerste Zugunglück in Belgien seit Jahrzehnten. Vor neun Jahren war ein Zug auf einem falschen Gleis gefahren und in einen anderen geprallt, neun Menschen starben. Ein Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass eine Reihe von Pannen im Sicherheitsablauf zu dem Unfall führten. Die Bahn musste 100.000 Euro Strafe zahlen und verbesserte die Kommunikation zwischen den Zügen.

In Halle begannen die Helfer erst am Nachmittag, die Leichen aus den verunglückten Zügen zu bergen, zuvor hatten sie sich um die Verletzten gekümmert. Flanderns Ministerpräsident Kris Peeters erklärte, dies sei ein schwarzer Tag für Flandern. Einer der Helfer sagte: "Das ist ein Alptraum, den man niemals vergisst."

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