Wuppertal: Junior Unigegen den Pisa-Schock

In einem einzigartigen Projekt bürgerschaftlichen Engagements arbeitet eine ganze Stadt daran, Kindern und Jugendlichen Naturwissenschaften mit Spaß zu vermitteln.

Wuppertal. "Natürlich hat die Pisa-Diskussion das Projekt beflügelt", meint Ernst-Andreas Ziegler, Geschäftsführer der Wuppertaler Junior Uni, die Anfang Dezember am Wupperufer ihre Pforten öffnet. Während NRW am Schulsystem laboriert, beschreitet Wuppertal einen ganz neuen Weg aus der Pisa-Falle.

Die Lernstandsvergleiche allein waren es aber nicht, die im Bergischen eine deutschlandweit einmalige Bildungseinrichtung möglich gemacht haben. Es war auch der Druck auf eine schrumpfende Stadt im Strukturwandel, die sich ein neues Profil schaffen muss. Ziegler und sein Mitstreiter, Physik-Professor Burkhard Mönter, entwickelten die Vision einer Stadt des Wissens, wie es sie so kein zweites Mal gibt. Grund- und Oberstufenschüler buchen freiwillig neben ihrem Schulunterricht Kurse an einer Universität, die dauerhaft und ohne Notendruck, aber mit viel Unterhaltung naturwissenschaftliches und technisches Grundwissen an Kinder und Jugendliche aus reichen und armen, bildungsnahen und bildungsfernen Familien vermittelt.

Eine verwegene Idee, zumal Bildung und Wissensvermittlung immer Geld kosten, Wuppertal aber kein Geld hat. Dafür stimmen die Rahmenbedingungen. Wuppertal beherbergt eine echte Universität mit 13 000 Studenten und blickt auf eine großbürgerliche Tradition, die der Stadt eine Reihe hochwertiger Schulen hinterlassen hat. Dazu kommt ein breit aufgestellter Mittelstand auf der Suche nach Fachkräften und einem immensen Potenzial an Fachwissen, das nur darauf wartet, an junge Leute weitergegeben zu werden.

Monatelang bearbeiteten Ziegler und seine Mitstreiter potenzielle Sponsoren und Dozenten. Mit Erfolg: Am 3. Dezember eröffnet NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Wuppertal die erste Junior Uni. 40 Kurse und mehr als 50 Dozenten werden zum Start aufgeboten. Das Angebot reicht von "Elektrotechnik für Kinder" über " Cola - das eiskalte Vergnügen" bis zur "Astronavigation". Die Lehrenden kommen aus der Universität und den Entwicklungsabteilungen bergischer Unternehmen. Aber auch aus den Schulen, wie Stephan Rath, Thorben Heeckt und Jan Ehrke. Die Drei bauen gerade an ihrem Abitur auf dem Carl-Fuhlrott-Gymnasium und bieten einen Kurs für junge Raketenbauer an. "Das geht ab wie eine Rakete", versichern sie den Zehn- bis 14-Jährigen und sind längst ausgebucht.

Das gilt übrigens für die meisten Kurse. "Wir waren völlig überrascht über die Resonanz und sind förmlich überrannt worden", berichtet Ziegler. Für ihn steht damit fest: "Bildung ist nicht abschreckend, wenn sie richtig verpackt ist. Man muss die natürliche Neugier der Kinder nutzen und sie für Technik und Naturwissenschaften nachhaltig begeistern. Das können wir besser als jede Schule."

Keineswegs richtet sich die Junior Uni nur an die Schlaumeier. Ziegler, Mönter und Co. wollen ganz gezielt auch Talente aus den Schulen begeistern, in die schnell vermeintliche Verlierer einsortiert werden. Lehrer trommeln in den Hauptschulen für die Junior Uni und gegen die Perspektivlosigkeit. Ob Wuppertal das ehrgeizige Konzept über Jahre durchhalten kann? Ziegler denkt da ganz nüchtern: "Gibt es eine bessere Idee, um im ewigen Ringen um die beste Bildung und den besten Fachkräfte-Nachwuchs zu punkten?"

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