Wirtschaftskrise: An den Finanzmärkten wird weiter gezockt

Die alte Gier ist längst wieder da. Die Politik schafft es nicht, die Märkte zu bändigen. Und die Banken haben ein Faustpfand, mit dem sie drohen: die Kreditklemme.

Düsseldorf. Deutschbanker Josef Ackermann hat angeblich als einer der ersten Europäer von der sich abzeichnenden Finanzkrise gewusst. Bei einem Abendessen mit US-Notenbank-Chef Ben Bernanke bei der Fed in New York, so berichtete er auf einem Investorentreffen der Deutschen Bank in Düsseldorf, erfuhr er bereits im Frühjahr 2008 von den Schwierigkeiten mit den Schrotthypotheken am US-Häusermarkt.

Er hat daraus wohl auch schnell für sein Institut die Schlüsse gezogen. Die Deutsche Bank kam jedenfalls glimpflicher durch die Krise als andere Geldinstitute.

Ackermann, der weiß, dass er den "Buhmann” unter den deutschen Bankern spielt, bleibt jedenfalls wegen der noch nicht ausgestandenen Krise bis 2013 an der Spitze des deutschen Branchenprimus. "Es werden sich sicher viele freuen, dass ich noch vier Jahre bleibe. Dann haben sie jemanden, den sie angreifen können”, kommentierte er im April die Entscheidung.

Kürzlich übte sich Ackermann dann auch noch als Kassandra: Es gebe neben der Dubai-Krise und den bekannten Finanzproblemen einiger Länder "einige Zeitbomben”, die noch zu Erschütterungen führen könnten. Auch die Immobilienkrise in den USA sei noch nicht gelöst.

Auch für Bosch-Chef Franz Fehrenbach, der für ein traditionsreiches schwäbisches Familienunternehmen - einen riesigen Autozulieferer mit 270 000 Mitarbeitern - steht, ist die Sache noch nicht gelaufen. Er schimpft über gierige Banker, über Casino-Kapitalismus und junge Banker ohne Anstand. Auch er fürchtet das weitere Auseinanderlaufen von realer Wirtschaft und virtuellem Finanzmarkt. Eine nicht unberechtigte Sorge.

Denn die Zockerei an den Finanzmärkten geht weiter, der Casino-Betrieb läuft zumindest in New York und London wieder wie gewohnt, und die Politik schafft es nicht, die Märkte zu bändigen. In einer immer noch kriselnden Weltwirtschaft scheffelt die Finanzelite wieder Milliarden. Die alte Gier ist wieder da, teilweise neu begründet. So behauptete beispielsweise Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein kürzlich frech in einem Interview mit der "Sunday Times”: "Ich bin bloß ein Banker, der Gottes Werk verrichtet.” Die Kirchen waren entsetzt.

Die Investoren sind vor allem in den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, derzeit derart üppig mit billigem Geld ausgestattet, dass sie die Aktien-, Immobilien- und Rohstoffmärkte wieder aufblasen. Die Stunde der Spekulanten hat erneut geschlagen, die Finanzwelt hat sich von der realen Wirtschaft entkoppelt. "Der Countdown zur nächsten Krise hat begonnen”, titelte unlängst die "Financial Times”.

Selbst der Handel mit Derivaten, jenen komplexen Finanzprodukten, die erst den Boom hervorgerufen und später den Absturz eingeläutet hatten, läuft in New York wieder auf Hochtouren. Selbst die gebündelten Papiere, die aus jeder Menge fauler Immobilienkredite (Subprimes) zusammengeschnürt worden waren, gibt es wieder unter einem neuen Namen - sie heißen jetzt Re-Remics, kurz für "Resecuritization of Realestate Mortgage Investment Conduit”.

Die Krise ist also noch nicht vorbei, sie ist nur in eine neue Phase getreten. Bei langsamer Erholung in der Realwirtschaft bereiten die Notenbanken und Regierungen den Ausstieg aus ihren Feuerwehraktionen vor, bei denen sie die Märkte mit Geld überflutet hatten, um Schlimmeres wie die Große Depression in den 30er Jahren zu verhindern. Sie gehen dabei aber sehr zögerlich vor und wollen die mächtigen Bankmanager nicht verprellen, denn die geben der Politik immer noch vor, wie stark sie unterstützt oder reguliert werden wollen.

Die Regierungen konnten sich dagegen - wie in der Krise versprochen - noch nicht auf neue, strenge Regeln für die Finanzwirtschaft verständigen. Und es spricht wenig dafür, dass es ihnen noch rechtzeitig gelingen wird. Sie kaufen sich lieber einen Aufschwung und verschulden sich in bisher nicht gekanntem Maße. Auf Kosten künftiger Steuerzahler.

Hinter vorgehaltener Hand drohen die Banken bereits mit einer "Kreditklemme”, falls es keine staatlichen Garantien oder Erleichterungen mehr gibt. "Kreditklemme” könnte ein Thema werden, das das Jahr 2010 beherrschen und den Aufschwung der Realwirtschaft bremsen könnte. "Die deutschen Banken sind unterkapitalisiert”, warnte unlängst SPD-Experte Carsten Schneider im Bundestag.

Nach Berechnungen der Bundesbank schlummern in den Bilanzen der deutschen Geldhäuser bis Ende 2010 wegen fauler Kreditpapiere noch Belastungen von 90 Milliarden Euro. Durch die Abschreibungen wird entsprechendes Eigenkapital vernichtet, und die Banken können entsprechend weniger Kredite an Firmen vergeben.

Den dagegen von Ackermann ins Gespräch gebrachten Mittelstandsfonds in dreistelliger Millionenhöhe halten viele für "Peanuts”. Der richtige Weg wäre, dass die Banken massiv ihr Eigenkapital verstärken - notfalls auch über erzwungene Staatsbeteiligungen.

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