Winnenden: Welche Schuld trägt der Vater?

Donnerstag beginnt der Prozess um den Amoklauf in der Albertville-Schule, bei dem 15 Menschen und der Schütze selbst ums Leben kamen.

Stuttgart. Wer für den Amoklauf am 11. März 2009 an der Albertville-Realschule in Winnenden verantwortlich ist, steht fest: Tim K., 17 Jahre alt, stiller Typ, kontaktarm, möglicherweise psychisch labil, Waffennarr. Er stürmte gegen 9.30 Uhr in seine ehemalige Schule und eröffnete mit einer Sportpistole das Feuer. Im Kugelhagel starben neun Schüler und drei Lehrer. Auf seiner Flucht tötete er drei weitere Menschen und erschoss sich selbst. Die Bluttat hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Von Donnerstag an steht Tims Vater, Jörg K., 51 Jahre alt und Sportschütze, vor dem Landgericht Stuttgart - wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Der Mann hatte die Tatwaffe rechtswidrig im Schlafzimmerschrank aufbewahrt. Zum Schutz der Familie für den Fall eines Einbruchs, wie er der Polizei sagte. In Deutschland hat es noch nie einen Strafprozess gegeben, bei dem ein nicht direkt an der Tat Beteiligter nach einem Amoklauf vor Gericht belangt wurde.

Fraglich ist, ob der Mann auch wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt werden kann. Das Gericht hatte die Anklage rechtlich nur als Verstoß gegen das Waffengesetz gewertet. Damit drohen dem Vater des Amokläufers nicht mehr bis zu fünf Jahre, sondern höchstens ein Jahr Haft.

Besonders für die Nebenklage ist wichtig, ob der Vater die Gefahr eines Missbrauchs der Tatwaffe durch seinen Sohn hätte erkennen können und müssen. Hier kommt eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ins Spiel. Tim K. war dort zu mehreren Gesprächen mit einer Psychologin. Dort sprach er über Mord- und Tötungsfantasien. Die Eltern bestreiten, davon etwas gewusst zu haben.

Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Fall mit einem Strafbefehl beenden. Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger wies jedoch eine Anklage gegen den 51-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz an.

Für den Prozess sind 27 Verhandlungstage anberaumt: Neben den ermittelnden Polizeibeamten sind Rechtsmediziner, die Mutter des Täters und seine Schwester als Zeugen geladen. Der Vater sitzt mindestens 34 Nebenklägern gegenüber - Angehörige der getöteten Lehrer und Schüler.

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