Wilde Pferde sanft fangen

Im Merfelder Bruch bei Dülmen gibt es die einzigen Wildpferde in Europa. Westfälische Cowboys sind im Einsatz.

Dülmen. Tief sinkt er ein beim Joggen. Kevin Löchtermann läuft über den Sandboden. Nach der Arbeit dreht er seine Runden durch den Wald. Bewusst auf schwerem Geläuf. Denn er muss fit werden für seinen großen Tag. Der 23-Jährige ist am Samstag zum ersten Mal dabei, wenn im Merfelder Bruch in der Nähe vom westfälischen Dülmen das jährliche Einfangen der Wildpferde beginnt. Vor drei Jahren hat sich der angehende Landwirt um diese Aufgabe beworben.

Löchtermann ist Teil der Fängergruppe, die aus einer Herde von 400 Tieren 30 bis 40 einjährige Hengste fangen muss. Europas einzige Wildpferde-Kolonie auf dem Gebiet des Herzogs von Cro muss Jahr für Jahr dezimiert werden. Der Meerfelder Bruch bietet der Herde auf einer Fläche von 360 Hektar nur begrenzt Platz. Ein Teil der Einjährigen wird gefangen und versteigert.

Das Fangen der Wildpferde vor 25 000 Menschen kann man nicht trainieren. Ein gezähmtes Pferd wäre kein vergleichbarer Sparrings-Partner. „Aber ich kann etwas für meine Kondition tun“, sagt Löchtermann.

Entscheidend bei den Fängern sind die Männer mit Erfahrung. Sie lenken die Gruppe, sie spüren, bei welchen Tieren es sich lohnt, zuzupacken und zu halftern. Es darf nicht zu lange dauern. Der Stress für die Tiere ist groß, Tierschützer kritisieren das Spektakel seit Jahren. Wenn ein junger Hengst sich über Stunden immer wieder erfolgreich den Häschern entzieht, lassen die Männer auch mal von ihm ab.

„Die schonendste Methode ist es, dem Tier im Stehen das Halfter anzulegen“, sagt Försterin Friederike Rövekamp. Das schone die Wirbelsäule und nicht nur ein einzelnes Körperteil werde belastet. Eine Ärztin der Tierärztliche Hochschule Hannover schult die Fänger und bringt ihnen die besten Handgriffe bei.

Es gab Zeiten, da wurde das Fängeramt vom Vater auf den Sohn übertragen. Aber Neuzugänge wie Kevin sind heute eher die Regel. Er wird von Männern wie Alfred Schöttler in die Mitte genommen. Der 45 Jahre alte Fänger ist seit 27 Jahren dabei.

Ganz ungefährlich ist es für die Fänger in den blau-weiß gestreiften Hemden nicht. „Einmal habe ich mir eine Rippe angebrochen“, sagt Maurerpolier Schöttler. Was rät der alte Hase dem Nachwuchs? Nicht zu nah ran ans Pferd, aber auch nicht zu weit weg. Die Männer müssen die Hengste behutsam einkreisen — und nur als letzte Lösung niederringen. Kevin Löchtermann weiß das. Üben konnte er es nicht.

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