Wenn aus dem Lichtbild ein Foto wird

Amtssprache: Seit zehn Jahren kämpfen Sprachwissenschaftler dafür, dass Bürger die Briefe und Formulare der Behörden verstehen.

Bochum. „Foto“ statt „Lichtbild“, „Kopie“ statt „Ablichtung“, „zahlen“ statt „entrichten“. Im Kampf gegen eine unverständliche Amtssprache arbeitet die Bochumer Stadtverwaltung seit zehn Jahren mit Sprachwissenschaftlern von der Ruhr-Universität Bochum zusammen. Ziel: Bußgeldbescheide, Mahnungen und Informationen so zu formulieren, dass jeder Bürger sie versteht. Claudia Grahner von der Stadtverwaltung sieht erste Erfolge: „Es gibt weniger Rückfragen, weniger Missverständnisse und die Bürger kommen den Forderungen der Briefe schneller nach.“

„Als die Stadt Bochum 1999 auf uns zukam, gab es viele alte Formulare“, so Professor Hans Fluck. Zu lange Sätze, zu viele Substantive, viele passive Formulierungen und Paragrafen haben die Texte unübersichtlich gemacht (siehe Kasten).

Doch die Zusammenarbeit verlangt einen langen Atem. Erstens gibt es zu wenig Geld, zweitens benötigt die Überarbeitung von Texten viel Zeit. Der Internet-Dienst für eine moderne Amtssprache (Idema) bietet einerseits Seminare an, bei denen Verwaltungsmitarbeiter lernen, einfach und verständlich zu schreiben. Andererseits überarbeitet Idema eingereichte Texte.

„Das ist ein zäher Prozess, weil wir natürlich sprachlich verständlich, gleichzeitig aber auch fachlich richtig und juristisch unantastbar formulieren wollen“, sagt Idema-Chefin Michaela Blaha. Daher dauert solch eine Überarbeitung mehrere Stunden und muss immer wieder in die Korrekturschleife.

In zehn Jahren wurden etwa 6000 Texte überarbeitet. Die Spanne reicht von einseitigen Briefen bis hin zu 50-seitigen Info-Broschüren. 300 Textvorlagen stellt Idema auf der Webseite seinen Kunden zur Verfügung. Die Qualität dieser Überarbeitungen spricht für sich: Sprachwissenschaftler Jan Kercher von der Uni Hohenheim findet die überarbeiteten Versionen sehr viel verständlicher. Mit einer Analyse-Software hat er zwei Beispieltexte analysiert: „Die Originalversionen sind tatsächlich unverständlich.“ Die umgearbeiteten Versionen hingegen erhalten gute Werte: Keine Passivsätze, kürzere Sätze, weniger abstrakte Substantive.

Doch nur wenige Kommunen haben Geld dafür übrig, dass ihre Bürger sie besser verstehen. Nur 300 von 12 000 deutschen Städten und Gemeinden lassen sich von den Spezialisten beraten.

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