Wem gehört das Zahngold?

Krematorien haben das Recht, das Edelmetall der Verstorbenen zu behalten und auch zu verwerten. Angehörige können dies allerdings untersagen.

Wem gehört das Zahngold?
Foto: dpa

Erfurt. Friedrich Hauck lehnt sich in seinem Sessel zur Seite, betrachtet den Anwalt und schmunzelt dann etwas. „Wir sehen, dass im Zahngold noch viel Zündstoff ist“, sagt der Richter am Bundesarbeitsgericht. Dabei ist das Thema, über das er am Donnerstag in Erfurt verhandeln muss, nur bedingt geeignet für Humor. Es geht um die Asche von Toten, um die Überreste nach einer Einäscherung in einem Krematorium und die gelegentlich wertvollen Rückstände wie Zahngold oder Hüftprothesen.

„Wem gehört die Leiche? Oder besser wem gehört das Zahngold?“, fragt Hauck noch einmal, bevor er sich mit seinen Beisitzern schließlich zur Beratung zurückzieht. Zuvor hatten sich vor Gericht zwei Anwälte einen Schlagabtausch geliefert: Jan Ruge für die Hamburger Friedhöfe und Hans-Dieter Klumpe, der einen ehemaligen Krematoriumsmitarbeiter vertritt. Seinen Mandanten hat dessen früherer Arbeitgeber auf Schadenersatz verklagt.

Der mittlerweile 56-Jährige hatte gemeinsam mit Kollegen jahrelang Zahngold aus der Asche geklaubt und für sich verwendet. Damit finanzierte er teure Reisen, Autos und anderes mehr. In einem strafrechtlichen Verfahren war er deshalb im Juni wegen Störung der Totenruhe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, die aber noch nicht rechtskräftig ist. Sein Verteidiger Klumpe argumentierte nun, dass es kein Diebstahl und das Gold „herrenlos“ gewesen und somit kein Eigentum verletzt worden sei. Damit sei auch kein Schaden entstanden. Ruge hingegen pochte darauf, dass die Friedhöfe durchaus das wertvolle Metall verwahrten und auch verwerten dürften. Pietät fand hier keinen Platz.

Das sei so, als ob man den Ehering nach einem Streit mit seiner Frau wegwerfe, sagte der Sprecher des Bundesarbeitsgerichtes, Waldemar Reinfelder. Dann gebe man das Eigentum auf, der Ring sei dann „herrenlos“, fügte er hinzu. Allerdings spreche hier der Paragraf 667 des Bürgerlichen Gesetzbuches dagegen. Hier sei geregelt, dass Mitarbeiter alles abgeben müssten, was sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben erhielten. Darauf bezog sich auch Anwalt Ruge.

Nicht nur in Hamburg nutzten in den vergangenen Jahren Krematorien die zweifelhafte Einnahmequelle, aus der bundesweit Millionenbeträge erlöst werden. Zumeist gingen die so eingenommenen Gelder wie auch bei den Friedhöfen der Hansestadt als Spenden an gemeinnützige Vereine. In einigen Städten wurde aber auch schon mal der öffentliche Haushalt bedacht. Und zumindest die Prothesen wurden in Hamburg zugunsten der Mitarbeiter verkauft. Damit sei eine Weihnachtsfeier finanziert worden, sagte Anwalt Ruge.

Was passiert künftig mit den Überresten der Verstorbenen? Das grundsätzliche Recht auf Verwahrung des Zahngoldes durch die Krematorien bestätigte Richter Hauck in seinem Urteil. Damit ist eine spätere Verwertung nicht ausgeschlossen. Allerdings könnten die Angehörigen ebenfalls die Herausgabe verlangen. In Hamburg jedenfalls wurde das Sammeln des Zahngoldes inzwischen untersagt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort