Warten auf ein neues Herz

Portugals ESC-Sieger Salvador Sobral ist schwerkrank und auf ein Spenderorgan angewiesen. Von seinen Fans hat er sich jetzt tränenreich verabschiedet.

Warten auf ein neues Herz
Foto: dpa

Lissabon. Er verabschiedete sich mit einem Video, das er im Krankenhaus in Lissabon aufnahm, von seinen Fans: „Es ist kein Geheimnis, dass es nicht gut um meine Gesundheit steht“, sagte Salvador Sobral, der portugiesische Gewinner des diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC), der in Mai in Kiew stattfand. „Ich bin leider soweit, dass ich meinen Körper der Wissenschaft übergeben muss.“

Er sprach leise und mit jenem melancholischen Klang, der ihn und seine Musik berühmt machte. Dann setzte sich der 27-jährige an ein Klavier und stimmte den legendären Beatles-Song „Hello, Goodbye“ an. Der Sänger, der im Mai mit seiner dahingehauchten Jazz-Ballade „Amar Pelos Dois“ (Liebe für zwei) beim ESC triumphierte, musste wegen schwerer Herzprobleme seine Tournee abbrechen, die ihn durch die Konzertsäle seines Heimatlandes führen sollte. Immer heftigere Herzrhythmusstörungen machten ihm zu schaffen.

Und zwar so sehr, dass die Ärzte fürchten, dass sein Herz bald ganz versagen könnte. Er wurde ins Krankenhaus eingewiesen. Der Zustand von Sobral, der mit seinem ESC-Sieg über Nacht zum portugiesischen Nationalhelden wurde, ist so ernst, dass er eine Herztransplantation braucht. Nun wartet er im Santa-Cruz-Hospital in der Hauptstadt Lissabon auf ein Spenderherz.

Und ganz Portugal hofft, dass rechtzeitig ein passender Organspender gefunden wird, um mit einer Transplantation das Leben des Musikhelden zu retten. Seit Tagen harren vor dem Krankenhaus am Stadtrand Lissabons Fans aus. „Wir beten für dich“, steht auf einem Pappschild, das sie mitgebracht haben. Und: „Wir stehen dir bei.“

Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa richtete an Sobral die Botschaft: „Wir wollen, dass du uns noch viele Jahre viel Freude bereitest.“ Die ESC-Siegerin des Jahres 2016, die ukrainische Sängerin Jamala, schrieb: „Salvador, wir drücken dir die Daumen.“ Auf einem bewegenden letzten Open-Air-Konzert vor den Toren Lissabons, für das Sobral noch einmal sein Krankenzimmer verlassen durfte, ließen seine Fans weiße Herz-Luftballons aufstiegen.

„Ich hoffe, einer davon wird mir helfen“, rief der Sänger in Anspielung auf seine Herzschwäche seinem Publikum zu. „Ich werde all eure Liebe in einem kleinen Kästchen aufbewahren.“ Dann sang er, zusammen mit seiner Schwester Luísa, seinen melancholischen ESC-Siegessong „Amar Pelos Dois“, in dem es um Liebe, Leidenschaft und Trennung geht. Bis ihm die Stimme versagte, und er weinend seine Schwester, die Komponistin des Liedes, umarmte.

„Wenn jemand eines Tages nach mir fragt, sag, dass ich lebte, um dich zu lieben“, heißt es wehmütig in dem Song, den schließlich die Fans vielstimmig für ihren kranken Star zu Ende sangen. Schon während des ESC-Festivals Kiew hatte Sobral ernste Gesundheitsprobleme. Wegen seines Zustandes musste ihn Schwester Luísa, die ihn zur Teilnahme am Eurovision Song Contest überredet hatte, bei mehreren ESC-Proben vertreten. Fragen nach seinem Gesundheitszustand tat er damals mit dem Satz ab: „Die Leute müssen nicht wissen, wie es um mich steht.“

Nach seinem triumphalen ESC-Sieg des bis dahin ziemlich unbekannten Jazz-Sängers begann ein Rummel, welcher der Gesundheit des eher schüchternen Musikers offenbar erheblich zusetzte. „Es wird nicht einfach sein, all das zu verdauen“, sagte er schon damals. Er startete eine monatelange Konzerttour, die er schließlich abbrechen musste, weil sein Herz nicht mehr mitspielte. Er selbst gibt sich optimistisch, dass er bald wieder genesen wird. „Ich weiß leider nicht, wie lange all das dauern wird. Aber ich werde wieder zu Kräften kommen.“

Vielleicht kann Sobral dann sogar beim nächsten Eurovision Song Contest, der 2018 in Portugal stattfinden wird, dabei sein. Nach Informationen der portugiesischen Zeitung Correio da Manhã ist Sobrals Zustand derzeit stabil. „Alle körperlichen Funktionen werden überwacht“, schrieb das Blatt unter Berufung auf Familienangehörige. Durch den Krankenhausaufenthalt, wo Sobral unter ärztlicher Kontrolle stehe, habe man das Risiko eines plötzlichen Herzstillstandes verringert. Jetzt muss nur noch ein Spenderherz gefunden werden.

Portugal gehört zu jenen EU-Ländern, wo die Organspenderquote vergleichsweise groß ist. Mit etwa 30 Spendern pro einer Million Einwohner liegt das südeuropäische Land deutlich über dem EU-Schnitt. Das Problem ist nur, dass in den letzten Jahren hunderttausende junge Portugiesen mangels Jobperspektiven ins Ausland auswanderten. Die Bevölkerung im Land weist deswegen einen überproportional hohen Anteil älterer Menschen auf. Damit sinken zugleich die Chancen, in Portugal ein passendes junges Spenderherz zu finden, das Sobral transplantiert werden könnte.

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