Uhrenumstellung Von müden Kühen und mehr Sex - 6 Irrtümer zur Sommerzeit

Wir haben uns einige Fakten zum Thema Zeitumstellung vorgenommen - und manches als puren Unsinn entlarvt.

Uhrenumstellung: Von müden Kühen und mehr Sex - 6 Irrtümer zur Sommerzeit
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Es ist schon wieder so weit: Die Welt dreht an der Uhr. Die Folge ist, dass die Nacht auf den 25. März für 1,6 Millarden Menschen um eine Stunde kürzer ist. Das gilt für Deutschland seit 1980 und ist in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich geregelt. Nicht jedem - eigentlich sogar ziemlich wenigen - Deutschen gefällt das. Herbert Reul gilt als Hüter der Zeit. Für den NRW-Innenminister (CDU) ist die zweimal im Jahr anstehende Uhrumstellung blanker Unsinn. Seit Jahren kämpft er dafür, dass das „sinnlose Uhrendrehen“ endlich aufhört. Seine Argumente: Der Alltag gerate völlig aus dem Takt, der Biorhythmus werde auf eine harte Probe gestellt. Schlaflosigkeit und Unwohlsein seien die Folgen. Aber stimmt das wirklich? Wir haben uns einige Fakten zum Thema Zeitumstellung vorgenommen - und manches als puren Unsinn entlarvt.

Bei der Wortwahl geht es schon einmal los: Landläufig spricht man gern von der "Zeitumstellung", dabei rollen sich aber jedem Semantiker die Zehennägel auf, denn an der Zeit drehen kann keiner, an der Uhr aber schon und so muss es korrekt heißen: Die Uhren werden in der Nacht auf Sonntag auf Sommerzeit umgestellt. Zuständig ist dafür übrigens die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Sie realisiert, dass über einen Langwellensender mit Namen DCF77 in Mainflingen bei Frankfurt am Main, der Funkuhren, Bahnhofsuhren und viele Uhren der Industrie mit der gesetzlichen Zeit versorgt sind.

In unzähligen Studien wurden Mini-Jetlags, Unfälle wegen Übermüdung und Umstellungsprobleme bei Kühen rauf und runter diskutiert. Ob es die gewünschte Energieersparnis gibt, ist umstritten. Die Ölkrise war es im Jahr 1973, die Deutschland dazu veranlasste die Zeitumstellung wieder einzuführen - mit dem Ziel durch eine bessere Nutzung des Tageslichts Energie sparen zu können. Aber geht diese Rechnung wirklich auf? Ja und nein zeigte ein Gutachten für den Bundestag: In Modellsimulationen zum Stromverbrauch deutscher Haushalte für Beleuchtungszwecke wurden Verbrauchsminderungen von weniger als 0,8 % bezogen auf den Jahresstromverbrauch ermittelt (Rückgang von 0,2 % beim nationalen Stromverbrauch). Energie wird also gespart, aber eigentlich zu wenig als das sich der Aufwand wirklich lohnen würde.

Viele Menschen glauben, dass eine Stunde mehr oder weniger keinen Effekt auf sie habe. Das stimmt aber nicht. Der Mini-Jetlag, der in diesem Jahr vom 24. auf den 25. März droht ist nicht eingebildet, sondern ganz real und bringt den Biorhythmus durcheinander. Das bestätigt auch das Gutachten zum Thema für den Bundestag: "Mittlerweile gibt es vermehrte wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Anpassung der biologischen Rhythmen nicht so einfach vollzieht". Die Umstellung auf die Sommerzeit ist dabei offenbar das größere Problem. Laut Gutachten gibt es einige Hinweise darauf, "dass der Anpassungsprozess selbst binnen vier Wochen nach der Umstellung möglicherweise nur unvollständig bzw. gar nicht gelingt. Demgegenüber scheint die Zeitumstellung im Herbst weniger problematisch."

Dass Kühe Probleme mit der Sommerzeit haben sollen stimmt ebenfalls nur bedingt: Die Umstellung der Uhren wäre ihnen ziemlich schnuppe, wären da nicht diese festen Melkzeiten. Aber auch die Landwirtschaft hat sich nach anfänglichem Widerstand mit der Sommerzeit angefreundet. Die Befürchtung, dass es Probleme in der Milchproduktion gebe, bestätigte sich nicht. Zwar könne der Melkrhythmus durch die verlorene Stunde gestört werden, sagt Anni Neu vom Deutschen Bauernverband. "Die Tiere haben eine Stunde weniger Zeit, Milch zu produzieren." Das Problem sei aber mittlerweile gelöst: Die Bauern verteilten die Zeitverschiebung auf mehrere Tage und passten so die Melkzeiten schrittweise an.

Aber Vorsicht, ein Unternehmen aus München hatte da eine Idee: "Melatonin ist ein Schlafhormon, das beim Menschen unter anderem den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Durch die Zeitumstellung wird es später dunkel, aber auch später hell. Damit kommen viele nicht klar. Sie können nachts nicht schlafen, sind tagsüber müde und darunter leidet dann auch die Konzentration", erklärt Tony Gnann von der Milchkristalle GmbH aus München. Die Lösung: Die Milch von Kühen, die vor Sonnenaufgang gemolken werden enthalte gegenüber herkömmlicher Milch ein Vielfaches an Melatonin. Mit einem patentierten Verfahren stellt der Betrieb nun aus dieser sogenannten Nachtmilch Milchkristalle, die mehr bioverfügbares Melatonin enthalten. Und die armen Kühe dürfen wieder nicht ausschlafen.

Und Umfragen ergeben regelmäßig, dass die Umstellung für viele Bürger ein Ärgernis ist. Zuletzt sprachen sich 73 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Studie des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit dagegen aus. Der Deutsche an sich ist also genervt von der Umstellung auf die Sommerzeit und könnte darauf gut verzichten. Richtig hart triftt es seit vier Jahren aber die Weißrussen: Zwar stellt man dort die Uhren seit 2011 gar nicht um, da dort dauerhaft die Sommerzeit gilt, aber für Langschläfer bedeutet das: Sie brauchen noch länger, um morgens in die Gänge zu kommen. Zumindest hatte sich darüber der russische Präsident Wladimir Putin beschwert. Deshalb ist die dauerhafte Sommerzeit in Russland 2014 abgeschafft worden. Präsident müsste man sein.

Im Dunkeln ist gut Munkeln, lautet ein Spruch - und der stimmt offenbar, wie die Stuttgarter Nachrichten herausgefunden haben. Der menschliche Organismus läuft im Frühjahr und Sommer auf Hochtouren, ist aktiver als in den dunklen Jahreszeiten. Positiver Effekt: Im Sommer unternehmen die Menschen mehr, aber eben draußen und bei Tageslicht. Und da wird dann weniger gemunkelt. Im Gegensatz zum Winter, zumal wenn der Strom langfristig ausfällt - wie zum Beispiel in New York 1965. Neun Monate später verzeichnen die Ärzte dann einen Anstieg an Geburten. Im Münsterland, so berichtet der Stern online, habe es neun Monate nach dem Winterchaos im Jahr 2005 einen kleinen Babyboom gegeben. Also: Mehr Sonne, mehr Sex - diese Gleichung geht nicht auf. ull/dpa/red

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